Der Augenblick der Liebe
zugeschaut und dahin und dahergeredet. Er mußte sie in seine Stimmung hineinreden! Und schaffte es nicht. Also, BeateJuliette Themire, hör zu.
Hübsch, diese Servietten, wirklich. Wenn er sich die antue, sehe er sicher aus wie ein Pflegefall an seinem Geburtstag. Aber bitte. Es kommt nicht mehr darauf an. Lach ruhig. Es gibt null Ernstes. Das ist das einzige, was sie ihm glauben kann. Sie hat das Geschirr in der Spülmaschine unterge bracht, hat zuerst, was noch vor ihrer Abreise gespült worden war, ausgeräumt und versorgt. Das sei raffiniert, sagte er, diese Geschäftigkeit, dieser Eifer, dieser Fleiß, diese offenbar unverbrauchbare Bewegungskapazität. Und er, der Parasit ... Pascha reicht, rief sie dazwischen. Er bat noch einmal, La Mettrie herbitten zu dürfen. Sie bat, von La Mettrie verschont zu bleiben. Morgen, bitte, aber nicht jetzt, am ersten Abend in ihrer Wohnung, am ersten Abend ohne Hotel, ohne Professor Rosenne und so weiter, am ersten Abend der Zukunft. Gegenwart genügt, sagte er hartnäckig. Aber sie wollte jetzt mit ihm im Bett liegen, obwohl ihre Liege kein Bett sei, aber je enger sie lägen, um so schöner sei es.
Sobald sie lagen, knipste sie das Fernsehen an, zur Um stimmung, sagte sie und verbesserte sich: Zur Einstimmung. Und da sie keine Kleidung zugelassen hatte, wußte er, was das hieß. Auf dem Bildschirm lag ein amerikanisches Ehepaar im Bett, das ein Fernsehprogramm anschaute. Das fand Beate super. Wir liegen im Trend, rief sie. Und griff nach ihm. Er sagte, die − und meinte die auf dem Schirm − seien aber noch nicht so weit. Wir sind Avantgarde, sagte sie und machte weiter an ihm herum. Themire, sagte er, du darfst gleich weitermachen, wenn dir nach dem, was ich dir sagen muß, noch danach ist. Sie zog ihre Hände weg, die Augen meldeten Angst. Also, die Umbuchung konnte er in diese erschrockenen Augen hinein nicht melden. Themire, sagte er noch einmal, ich glaube, ich muß einen Vortrag halten. Ich weiß, sagte sie. Was weißt du, fragte er. Du willst irgendwas sagen, was mir erklären soll, warum du dich bei mir nicht wohl fühlst. Du langweilst dich. Etwas geht dir auf die Nerven. Wahrscheinlich ich.
Du willst nichts wissen von mir, sagte er. Du sagst, was du sagst, nur um zu verhindern, daß ich dir etwas sage.
Bitte, sagte sie, sprich. Sie sagte das so, als wisse sie alles, was er sagen könne, im voraus.
Er sagte, es ist, als sei vor ihm noch nie ein Mensch alt geworden. Was er erlebe, scheine noch nie erlebt worden zu sein. Auf jeden Fall hat es ihm keiner gesagt, wie schlimm es sein würde. Auf jeden Fall hat auf ihn, was er bisher über das Altsein gehört hat, keinen Eindruck gemacht. Man kann nur jung oder alt sein. Er habe seit längerem geglaubt, er sei schon alt. Das war, wie er jetzt wisse, ein naseweises Anem pfinden. Das einzige, was ein wenig in die richtige Richtung ging, war eine Art Mitleid mit Alten. Jetzt weiß er, der Junge kann nichts empfinden von dem, was der Alte empfindet. Es gibt kein Verständnis für einander. Der Alte versteht den Jungen so wenig wie der ihn. Es gibt keine Stelle, wo Jugend an Alter rührt oder in Alter übergeht. Es gibt nur den Sturz. Aus. Nachher bist du drunten und kannst tun, was du willst, du reichst nicht zurück. Mit nichts. Durch nichts. Ob du lachst oder schreist, ist gleichgültig. So zu tun, als könne man sich auf diesen Sturz vorbereiten, ist unsinnig. Dieser Sturz gestattet kein Verhältnis. Der einzige Mensch, der ihn, wenn es darauf ankäme, verstünde, wäre Magda. Er habe nie den Mut gehabt, Magda seine
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