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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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hält  deine  Sonnenblume  am  Leben,  solange wir, du und ich, einander lieben. Und wenn du mal  morgens  vom  Bett  aufstehst  und  tot  umfällst,  wissen  wir,  daß  Anna  aufgehört  hat,  an  dich  zu  denken,  sagte  sie.  Und  grinste. Und sagte: Der schönste Augenblick dort sei der an  der Gartentür gewesen, als die Tür so grell kreischte. Ob er  die inzwischen geölt habe, daß sie nicht mehr kreische? Hat  er nicht. Sie hätte ihn, wenn er dieses Kreischen aus der Welt  geschafft hätte, jetzt sofort hinausgeschubst, daß er die Nacht  im  University Motor Inn  verbringe. 
Was denkt sie eigentlich von ihm! Sie habe doch gesagt, das  Kreischen sei so schön schrill und habe bei  schrill  drei l¹s lang  ihre  Zungenspitze  so  entblößt,  daß  er  sofort  an  ihr  hinunterschauen  mußte  und  erst  wieder  Halt  fand  an  dem  Schlangeniedermuster  ihrer  Schuhe.  Was  heißt  schon  Halt.  Er fühlte sich hineingestoßen in  den Dschungel des Lebens.  Aber  in  einen  raffinierten  Dschungel.  Nachher  habe  er  versucht,  ihre  hochmanierierten  Absätze  zu  zeichnen.  Das  ging nicht. Nicht weil er zu unbegabt sei, sondern weil Anna  in  jedem  Augenblick  hereinkommen  konnte.  Und  auf  alles,  was nicht eingeführt ist zwischen ihr und ihm, reagiert Anna  mit Fragen. Und vor denen, sagte Beate, hatte mein Feigling  Angst.  Ich  liebe  dich  trotzdem,  sagte  sie.  Und  wie!  Wann  heiraten wir? 
Jetzt  packen  wir  zuerst  einmal  aus,  sagte  er.  Aber  dann  packte nur sie aus. Er konnte nicht. Er hätte ihr doch längst  den Traum mit dem Anwaltmädchen erzählen müssen. Den  Traum  in  der  Nacht,  bevor  sie  kam.  Dazu  war  es  jetzt  zu  spät. Er sah zu, wie sie die Kleider und Kleidungen, die sie in  Kalifornien  nicht  getragen  hatte,  wieder  dem  Schrank  anvertraute. Er hätte jetzt am liebsten gesagt, dieses Kleider aufhängen erinnere ihn an Anna. Er mußte sich beherrschen.  Anna  und  Beate  hatten  einiges  mit  einander  gemein.  Das  Lichtbrennenlassen,  das  Wasserlaufenlassen,  den  Herd  und  das Bügeleisen eingeschaltet lassen auch. Und Anna konnte  soviel,  was  sie  nie  gelernt  hatte.  Beate  auch.  Da  waren  sie  einander näher als ihm. Er konnte soviel nicht von dem, was  er  gelernt  hatte.  Er  mußte  jetzt  sagen −  und  er  intonierte  deutlich tiefer −, er habe in Kalifornien etwas versäumt. Sie:  Jetzt  sag  es  schon.  Er  habe,  sagte  er,  im  Fernsehen  gehört,  daß  Selbstmord  in  Kalifornien  noch  nie  als  strafbar  galt.  Er  mußte  jetzt  einfach  düster  daherreden.  Er  wollte  ihr  mitteilen, daß er den Rückflug eine Woche vorverlegt habe,  also  nur  eine  Woche  in  Chapel  Hill  bleiben  könne.  Und  schaffte es nicht. Nahm einen zweiten Anlauf: Was wollte ihr  Mr.  Hardy  mit  dem  EliotZitat,  große  Dichter  stehlen,  schlechte kopieren, was hatte das mit seinem Vortrag zu tun?  Und  sie:  Weiß  der  Geier.  Ihm  fiel  auf,  daß  er  sagen  würde:  Weiß  Gott  ...  Gott  durch  Geier  zu  ersetzen,  hielt  er  für  übertrieben. Dazu fiel ihm ein, weiß Gott, warum, daß sie in  der  Stunde  ihrer  Ankunft  gesagt  hatte,  sie  sähe  jetzt  sicher  aus  wie  Wum,  sie  sei  eben  ein  LoriotFan  gewesen,  und  in  der ersten Nacht, das fiel ihm jetzt auch, Gott weiß, warum,  ein, als sie auf ihm saß und zum ersten Mal diesem Zwang,  alles in Schlagzeilen auszudrücken, nachgab, hatte sie gesagt:  Frivole  Studentin  fickt  Forscher  zu  Tode.  Sein  Gedanken zwang produzierte jetzt, daß Anna niemals Gott durch Geier  ersetzen  würde.  Dazu  kann  man  doch  nur  sagen:  Na  und?  Wie anders verliefe jedes Leben, wenn man jedem den Text,  der ihm gerade durch den Kopf geht, ansehen würde. Nicht  nur  ungefähr,  sondern  exakt  im  Wortlaut.  Da  würde  man  wahrscheinlich ganz anders denken. Vielleicht sogar freund

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