Der Augenblick der Liebe
hält deine Sonnenblume am Leben, solange wir, du und ich, einander lieben. Und wenn du mal morgens vom Bett aufstehst und tot umfällst, wissen wir, daß Anna aufgehört hat, an dich zu denken, sagte sie. Und grinste. Und sagte: Der schönste Augenblick dort sei der an der Gartentür gewesen, als die Tür so grell kreischte. Ob er die inzwischen geölt habe, daß sie nicht mehr kreische? Hat er nicht. Sie hätte ihn, wenn er dieses Kreischen aus der Welt geschafft hätte, jetzt sofort hinausgeschubst, daß er die Nacht im University Motor Inn verbringe.
Was denkt sie eigentlich von ihm! Sie habe doch gesagt, das Kreischen sei so schön schrill und habe bei schrill drei l¹s lang ihre Zungenspitze so entblößt, daß er sofort an ihr hinunterschauen mußte und erst wieder Halt fand an dem Schlangeniedermuster ihrer Schuhe. Was heißt schon Halt. Er fühlte sich hineingestoßen in den Dschungel des Lebens. Aber in einen raffinierten Dschungel. Nachher habe er versucht, ihre hochmanierierten Absätze zu zeichnen. Das ging nicht. Nicht weil er zu unbegabt sei, sondern weil Anna in jedem Augenblick hereinkommen konnte. Und auf alles, was nicht eingeführt ist zwischen ihr und ihm, reagiert Anna mit Fragen. Und vor denen, sagte Beate, hatte mein Feigling Angst. Ich liebe dich trotzdem, sagte sie. Und wie! Wann heiraten wir?
Jetzt packen wir zuerst einmal aus, sagte er. Aber dann packte nur sie aus. Er konnte nicht. Er hätte ihr doch längst den Traum mit dem Anwaltmädchen erzählen müssen. Den Traum in der Nacht, bevor sie kam. Dazu war es jetzt zu spät. Er sah zu, wie sie die Kleider und Kleidungen, die sie in Kalifornien nicht getragen hatte, wieder dem Schrank anvertraute. Er hätte jetzt am liebsten gesagt, dieses Kleider aufhängen erinnere ihn an Anna. Er mußte sich beherrschen. Anna und Beate hatten einiges mit einander gemein. Das Lichtbrennenlassen, das Wasserlaufenlassen, den Herd und das Bügeleisen eingeschaltet lassen auch. Und Anna konnte soviel, was sie nie gelernt hatte. Beate auch. Da waren sie einander näher als ihm. Er konnte soviel nicht von dem, was er gelernt hatte. Er mußte jetzt sagen − und er intonierte deutlich tiefer −, er habe in Kalifornien etwas versäumt. Sie: Jetzt sag es schon. Er habe, sagte er, im Fernsehen gehört, daß Selbstmord in Kalifornien noch nie als strafbar galt. Er mußte jetzt einfach düster daherreden. Er wollte ihr mitteilen, daß er den Rückflug eine Woche vorverlegt habe, also nur eine Woche in Chapel Hill bleiben könne. Und schaffte es nicht. Nahm einen zweiten Anlauf: Was wollte ihr Mr. Hardy mit dem EliotZitat, große Dichter stehlen, schlechte kopieren, was hatte das mit seinem Vortrag zu tun? Und sie: Weiß der Geier. Ihm fiel auf, daß er sagen würde: Weiß Gott ... Gott durch Geier zu ersetzen, hielt er für übertrieben. Dazu fiel ihm ein, weiß Gott, warum, daß sie in der Stunde ihrer Ankunft gesagt hatte, sie sähe jetzt sicher aus wie Wum, sie sei eben ein LoriotFan gewesen, und in der ersten Nacht, das fiel ihm jetzt auch, Gott weiß, warum, ein, als sie auf ihm saß und zum ersten Mal diesem Zwang, alles in Schlagzeilen auszudrücken, nachgab, hatte sie gesagt: Frivole Studentin fickt Forscher zu Tode. Sein Gedanken zwang produzierte jetzt, daß Anna niemals Gott durch Geier ersetzen würde. Dazu kann man doch nur sagen: Na und? Wie anders verliefe jedes Leben, wenn man jedem den Text, der ihm gerade durch den Kopf geht, ansehen würde. Nicht nur ungefähr, sondern exakt im Wortlaut. Da würde man wahrscheinlich ganz anders denken. Vielleicht sogar freund
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