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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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hat,  war  es  für  Beate  lebenswichtig  zu  erfahren,  ihre  Wirkung  habe  die  Ehe  außer  Kraft  gesetzt.  Tatsächlich  war  die  Lüge,  daß  mit  Anna  nichts  mehr  sei,  dann  immer  mehr  Wahrheit  geworden.  Auch  wenn  noch  etwas  stattfand  zwi schen  ihnen,  waren  es  für  ihn  bloße  Beatebeschwörungen  geworden. Beate hatte sozusagen gesiegt. Er hatte, als er ihr  das  beteuert  hatte,  die  sogenannte  Wahrheit  gesagt.  Wahr heit gibt es. Augenblicksweise. 
Diese  Augenblicke  heißen  Glück.  Und  sobald  wieder  die  Verheimlichungspflicht  regiert,  herrscht  das  normale  Unglück. Dafür zahlt man. Also ist dem Unglücklichen kein  Vorwurf  zu  machen.  Mit  keinem  Vokabular  der  Welt.  Der  Unglückliche ist quitt. 
Beate sagte: Das war jetzt frech, gell. 
Er  hatte  aber  nicht  gehört,  was  sie  gesagt  hatte.  Sie  hatte,  was frech gewesen sein sollte, von der Kochecke aus gesagt.  Er  sagte:  Überhaupt  nicht.  Und  er  war  sicher,  daß  er  das  sagen konnte. Sie hatte schon ein paar Male so auf etwas von  ihr Gesagtes reagiert. Jetzt paßte es, jetzt konnte er ihr Das warjetztfrechgell  darstellen  als  Reaktion  auf  den  Alters unterschied.  Jetzt  konnte  er  den  Unterschied  verkaufen  als  die Unmöglichkeit schlechthin. Ihre Angst, frech gewesen zu  sein,  sagte  alles.  Es  war  von  Anfang  an  eine  Illusion,  von  beiden  gefühlt,  von  beiden  geleugnet,  von  beiden  ausge stattet  mit  Wahrheitswut  und  so  weiter.  Er  habe  sich  von  Anfang  an  als  Hochstapler  gefühlt.  Aber  der  Hochstapler  leistet mehr als er zu leisten glaubt. Sich als Hochstapler zu  empfinden ist eine Form der Bescheidenheit. Vielleicht sogar  der Schüchternheit. La Mettrie hätte zu keinem anderen Er gebnis kommen können. Und wo wir schon so weit sind, laß  uns gestehen die Austauschbarkeit eines jeden Mannes, einer  jeden  Frau.  Sie  hat  ihn  zwar  in  ihren  Briefen  phantastisch  ausgezeichnet  mit  Notwendigkeit,  hat  sich  und  ihn  in  ein  Schicksal  hineingeredet,  das  hat  ihn  so  belebt,  daß  er  die  prinzipielle  Austauschbarkeit  glatt  vergessen  hat,  also  fing  auch er an zu schwärmen, hat nicht anders gekonnt, als sie in  eine  Einzigartigkeitsgloriole  zu  hüllen,  ihr  eine  Unver gleichlichkeitsaura anzutun, das war doch schön ... Sie hielt  ihm den Mund zu. Wir sind keine grief party, sagte sie und  fuhr  fort  im  Schlagzeilenton:  Auf  dem  Sofa  der  Mörderin  vergewaltigt.  Wer  von  wem,  sagte  er  und  griff  nach  dem  Glas.  Sie  war  schneller,  sie  trank  es  aus  und  zeigte  ihm  so,  daß  sie  jedes  Glas,  das  er  einschenken  würde,  vor  ihm  austrinken werde. Das hieß: Keine Flucht in die Besoffenheit.  Das  hieß:  Dageblieben!  Er  sollte  ihr  lieber  sagen,  wie  sie  gelebt  hat  ohne  ihn.  Sie  hat  es  vergessen.  Sie  kann  sich  an  nichts mehr erinnern. Als sie zu ihm kam, auf die Terrasse, er  im  hellblauen  Cordhemd,  wie  hat  sie  da  auf  ihn  gewirkt?  Das  war  ja  die,  die  bis  dahin  ohne  ihn  hat  leben  können.  Bitte, er soll ihr die schildern, vielleicht kann sie sich dann an  die erinnern, die sie war, bevor sie ihn kannte. Aber er hörte  auch der Waschmaschine zu, die aus dem Bad hereindröhnte  und  stöhnte,  dann  wieder  innehielt,  als  sei  es  ihr  zu  anstrengend,  als  müsse  man  ihr  zu  Hilfe  kommen,  dann  legte  sie  aber  wieder  los,  klang  wie  ein  Flugzeug,  das  die  Triebwerke  aufgedreht  hat,  gleich  starten  will,  noch  einmal  zerfällt, wie von vorne anfängt, auf die höchste Umdrehung  zurast,  aber  mühelos  jetzt,  hört  sich  an  wie  Leerlauf,  die  Waschmaschine  landet,  läuft  aus,  es  kann  wirklich  nichts  mehr kommen. Bitte, bitte, würdige doch endlich, was Beate  inzwischen  hergezaubert  hat,  ja,  gezaubert,  aus  dem  Kühl schrank  ein  SpaghettiEssen,  und  er  hatte 

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