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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Lebensschwierigkeit  vorzutragen,  sie  wäre  die  einzige,  die  ihm,  ohne  urteilen  zu  müssen,  zuhören  könnte.  Was  macht  sie,  fragte  Beate.  Sie  arbeitet  in  einem  Steuerbüro,  sagte  Gottlieb,  hat  sich  spezialisiert  auf  Umsatzsteuer.  Lebt  mit  einem  schwarzen  Amerikaner  zusammen.  Der  ist,  als  seine  Einheit  auf  dem  Balkan  Krieg  führen  sollte,  bei  ihr  untergeschlüpft.  Will  bei  ihr  bleiben.  Für  immer.  Hat  nichts  gelernt,  außer  vier  Jahre  Army.  Vor her  in  San  Antonio  Telephonverkäufer  für  ein  Reinigungs mittel,  sechs  Dollar  die  Stunde,  zweihundert  Stunden  pro  Monat am Apparat. Sieben Jahre jünger als sie. Man hat sie  nicht  gefragt,  warum  sie  diesen  Bob  aufgenommen  hat,  sie  hat von sich aus gesagt: Er hing in der Luft. 
Schweigen. 
Ach,  Beate,  sagte  er  dann,  wohin  flieht  man,  wenn  das  Ende sich aufdrängt? Dahin, wo es am krassesten klar wird,  daß  man  am  Ende  ist,  zu  Beate,  nach  Amerika.  Das  sind  seine  Empfindungsdaten.  Geliefert  von  seinen  Philosophen,  von  seinen  Sinnen  also.  Er  habe  den  Rückflug  um  eine  Woche vorverlegt. 
Er  hätte  sowieso  nicht  weitergesprochen.  Aber  sie  schrie  auf, sprang auf, übrig blieb ein längeres Nein. 
Auf dem Bildschirm lag das Paar immer noch im Bett, aber  der  Mann  hatte  sich  zur  Seite  gedreht,  weg  von  der  Frau,  offenbar  weinte  er,  es  schüttelte  ihn  geradezu  vor  Weinen,  die  Frau  kniete  hinter  ihm,  machte  ein  ratloses  Gesicht  und  streichelte ihn wie einen Kranken. Gottlieb beneidete diesen  Mann. 
Sie hatte den Kimono an, dessen Schwarz und Silber noch  nie so gut gepaßt hatten wie jetzt, als sie sich krümmte und  bog und mit den Fäusten auf das Sofa eintrommelte. 
Sie würde die Nacht auf dem Sofa verbringen, er würde auf  der Liege ausharren. Er trank die Flasche Bourbon leer. 
Plötzlich  stand  er  auf,  ging  hinüber  zu  ihr,  legte  sich  eng  neben  sie,  zwischen  sie,  sagte,  er  sei  genau  so  erschrocken  wie sie, als er sich so reden hörte. Aber müsse nicht wenig stens  ein  Tausendstel  von  dem,  was  in  einem  passiere,  her aus? Zwischen zweien wie sie und er. Das Gerede vom Sturz  ist Wortstroh. Das Hinab so bremsen, daß es kein Sturz wird,  sondern  ein  Untergang.  Jetzt,  nach  dem  schönen  Bourbon,  hat  er  mehrere  Bedürfnisse.  Erstens  will  er  auf  sie  einplau dern  von  zu  Hause.  Was  er  jetzt  empfindet,  und  sie  wisse,  daß  La  Mettrie  alle  Erkenntnis  mit  Empfindung  beginnen  läßt,  möchte  er  eine  unschuldige  Sehnsucht  nennen.  Nach  dort. Nach dieser Familie, die er seine Familie nennen muß.  Er  möchte  sie  alle  andauernd  aufzählen.  Inklusive  Anna.  Und  daß  er  das  Beate  so  hinsagen  kann,  daß  er  das  nicht  finster  verheimlichen  muß,  das  zieht  ihn  hin  zu  Beate.  Er  kann  gar  nicht  sagen,  wie.  Er  will  jetzt  auch  einmal  Schlagzeilen machen: Besoffener Gastreferent fickt Graduate  Studentin ins Leben. 
Danach verschraubten sich beide auf der Liege in einander.  Beate  löschte  den  Fernseher.  Gottlieb  lag  noch  wach,  als  sie  schon  schlief.  Ihm  war,  weiß  Gott,  warum,  fromm  zumute.  Er  hatte  dieses  Hochgefühl  der  Biederkeit,  es  allen  recht  gemacht zu haben. Also auch sich selbst. 
Am nächsten Vormittag, als Beate in ihrer Klasse war, rief  Gottlieb  die  Lufthansa  an  und  verlegte  den  Flug  noch  einmal, und zwar auf den nächsten Tag. Das wird teuer. Er  muß die Fluglinie wechseln. Ihm egal. Oder nicht egal. Egal. 
Als  sie  zurückkam,  gab  sie  sich  erstaunt.  Sie  habe  ge fürchtet, geglaubt, er sei, wenn sie zurückkomme, nicht mehr  da. Und riß ihn an sich und aufs Sofa. Und entschuldigte sich  dafür, daß sie so etwas habe denken können. Aber dieser Tag  sei  der  Tag  der  Katastrophe,  was  lag  da  näher,  als 

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