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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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zu fragen. Jetzt kann er verlangen, was er will. Sie war laut  geworden, er erinnerte sie daran, daß sie einmal gesagt hatte,  ihr  mache  es  nichts  aus,  angeschrieen  zu  werden,  aber  so  angeschrieen zu werden, daß es die Nachbarn hörten, ertrage  sie nicht. Darauf sie: So laut sei sie nicht gewesen. Einen so  laut anschreien, daß die Nachbarn es hörten, das schaffe nur  er. 
Als  sie  abends  auf  der  Terrasse  saßen  und  Gottlieb  einen  Karton ins Kaminfeuer warf, protestierte sie. Warum? Karton  gibt eine andere Asche. Na und? Sie: Die fliegt herum beim  leisesten  Windhauch.  Gottlieb  mußte  sagen,  daß  aber  kein  Windhauch zu spüren sei. Dann beherrschten sich beide. 
Im  Bett  lud  er  Anna  ein,  mit  ihm  die  Annehmlichkeit  des  Erlaubten  zu  feiern,  die  Wärme  der  Legitimität,  die  Unver schämtheit  des  Aufeinanderangewiesenseins,  die  Erweck barkeit alles gemeinsam Gehabten, die Fülle der Erinnerung  als  ein  Schutz  und  Schirm  gegen  alle  Gemeinheiten  der  Gegenwart.  Ein  nichts  auslassendes  Gefühl.  Wie  immer,  wenn  mehr  als  Wiederholung  gefragt  ist,  spielte  Wieder holung  eine  große  Rolle.  Anna  würzte  mit  Details.  Ihre  Paradegeschichte,  der  Herr  der  fünf  Ausschüttungen,  zwei  davon  schon  in  der  Annäherung.  Das  sagte  sie  so  neu,  als  habe sie es noch nie gesagt. Das war die Paradeseite aus der  vergilbenden  Ehechronik.  Unvorstellbar,  daß  sie  solche  Kontakte  nie  gehabt  hatte.  Er  hatte  sie  zurückzuholen  aus  den  Fängen  wild  auftrumpfender  Erinnerungsschweine reien.  Das  war  ihm  immer  eine  ihn  ganz  und  gar  aufpeitschende  Beschäftigung.  Annas  unbestreitbare  Gegen wart  und  Anwesenheit.  So  wurde  es  doch  noch  ein  Fest.  Niemand weiß so genau wie Anna, was für ihn schön ist. Mit  Kunst erzeugt sie Natur. Und sie weiß selber nicht mehr, daß  sie ihm etwas zuliebe tut. Die Freude, ihm etwas zuliebe zu  tun,  reißt  sie  so  hin,  daß  sie,  was  sie  tut,  nur  noch  um  ihretwillen  tut.  Mehr  kann  zwischen  zwei  Menschen  nicht  sein. Ihn steckte sie an. Er wollte sie übertreffen. Ihn eroberte  die Begierde, zu ihr noch lieber zu sein als sie zu ihm. Und  alles ohne  Calvados. Eines Tages oder eines Nachts wird er  herausbringen,  ob  Anna  sich  das  Trinken  angewöhnt  hatte,  weil  ihr  dann  die  Auftritte  als  Maklerin  leichter  fielen  oder  damit  ihr  das  Miteeinanderschlafen  besser  gelang.  Sie  war  keine  Alkoholikerin.  Sie  selber  sagte,  im  Calvados  lebe  der  Geist  der  Äpfel.  Für  sie  sei  es  eine  Kommunion.  Beates  Kommunion war ihr sicher fremd. Auch wenn er ihr einmal  alles, was ihm je passiert war, zu erzählen vermochte −, das  nicht.  Äpfel  waren,  auch  ungebrannt,  Annas  Früchte.  Sie  könnte,  sagte  sie,  von  Brot  und  Äpfeln  leben.  Damit,  daß  Gottlieb  und  sie  es  zu  keinem  Obstgarten  gebracht  hatten,  hatte  sie  sich  noch  nicht  abgefunden.  Gottlieb  wußte,  eines  Tages  würde  sie  ihn  auf  eine  sanft  ansteigende,  baumbe standene Wiese führen und sagen: Gekauft. 
Bis  drei  Uhr  nachts  hatten  sie  einander  hineingeredet,  hineingerissen  in  eine  Festlichkeit,  hatten,  was  sie  einander  taten, Feiern genannt. Er hatte alles, was er sagte, aus Annas  Augen  bezogen.  Er  hatte  ihr  gesagt,  daß  er  es  in  Amerika  nicht  mehr  ausgehalten  habe,  weil  ihn  ihre  Augen  verfolgt  hätten.  Ihr  Blick,  der  bloße  Blick.  Bei  anderen  sei  der  Blick  immer  gefärbt  von  einer  augenblicklichen  Stimmung  oder  Absicht.  Und  hatte  an  Beates  Augenausdruck  gedacht.  Traurig  oder  trotzig  oder  träumerisch.  Annas  Blick  aber  sei  der  bloße  Blick.  Ein  dunkles  Meer.  Ohne  bestimmte  Bedeutung.  Jede  Bedeutung  verweigernd.  Wie  das  Meer  eben. Und dann hatte er ganz direkt werden und hatte sagen  müssen:  Aller 

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