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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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RattlerFolterung  in  Winnetou I und daran, daß er der immerzu mit Mandelent zündungen  bettlägerigen  Regina  am  liebsten  Karl  May  vor gelesen hatte. Wie hatten die drüben Eliot zitiert?  Great poets  steal, bad poets copy.  
    Und   Rosa,  sagte  Gottlieb.  Von  Rosa  nichts.  Das  hatte  er  nicht  anders  erwartet,  aber  eine  Art  Schmerz  war  dieses  VonRosanichts  doch.  Er  hatte  sich  angewöhnt,  sie  in  einem  unaufhörlichen  Sibirien  zu  sehen.  Ach  ja,  sagte  Anna,  Paul  Schatz ist tot. Wie bitte, du meinst, seine Frau sei ... Nein. Der  Frau  geht  es  überraschend  gut,  aber  er  steht  morgens  auf,  fällt  um,  ist  tot.  Infarkt.  Und  vorher  nichts,  was  darauf  hinwies.  Gottlieb  sagte:  Unglaublich.  Und  dachte:  Wenn  es  den Kaltammer auch noch putzt, dann geh ich zurück in den  Handel. Aber den Kaltammer putzt es nicht. Solche Hyänen  werden hundert. Paul Schatz steht auf, fällt um, ist tot. Und  Beate hatte gesagt: Wenn du mal morgens aufstehst und tot  umfällst,  wissen  wir,  daß  Anna  aufgehört  hat,  an  dich  zu  denken.  Wunderbare  Beate.  Gab  es  überhaupt  etwas,  das  nicht wunderbar war? 
    Gottlieb   merkte,  daß  er  plötzlich  im  Stand  war,  die  Auto bahn zu genießen. Und plötzlich bog er auf einen Parkplatz  ein,  war  an  Annas  Tür,  bevor  sie  sie  öffnen  konnte,  bat  sie  durch  eine  einladende  Geste  heraus,  dann  führte  er  sie,  als  kenne  er  sich  aus,  vom  Parkplatz  weg  in  den  umgebenden  Wald  und  ging  deutlich  hastig  ein  bißchen  voraus,  daß  er  Anna  hinter  sich  herziehen  konnte,  und  dachte,  solange  sie  nichts  sagt,  ist  alles  gut.  Sie  sagte  nichts.  Bei  einem  Stapel  gefällter Buchen, die da auf den Abtransport warteten, hielt  er, lehnte Anna gegen die mächtigen Stämme, setzte sie fast  ein  bißchen  auf  die  sich  anbietenden,  glatten  Rundungen  und fing an, Anna zu küssen, und zwar mit einem Ausdruck  großer Dankbarkeit.  Wie froh er sei. Und glücklich auf eine  verschollen  geglaubte  Art.  Daß  alles,  was  dann  passierte,  überhaupt nicht bequem oder genußreich war, war ihm nicht  nur  recht,  das  forcierte  er  geradezu.  Daß  Anna  im  Kostüm  gekommen  war  und  nicht  in  Hosen,  kann  ausschlaggebend  gewesen sein. Eine lange Hose wäre zuviel gewesen. Obwohl  er  vor  allem  zeigen  wollte,  daß  er  jetzt  in  aller  Hast  und  Unbequemlichkeit  mit  ihr  schlafen  wolle.  Je  unbequemer,  um so deutlicher wurde, was er wollte. Das Unbequeme als  sein  Geständnis.  Als  sein  Heimkehrgeständnis.  Als  sein  Einundalleszugeben.  Deshalb  mußte  diese  einvernehmliche  Vergewaltigung  stattfinden.  Und  gesagt  werden  mußte  nichts. So gut wie nichts. 
    Und   da  Anna  das  alles  deutlich  genug  erkannte  und  be antwortete, bewies, daß er sich nicht getäuscht hatte und daß  sie  einander  nicht  täuschten.  Als  er  Anna  von  der  Bu chenrundung  herunterhalf,  sagte  er:  Du  weißt,  beim  Ge witter  heißt  es,  Buchen  mußt  du  suchen.  Wir  haben  sie  ge funden, sagte Anna. 
    Nicht   ganz  so  leicht  war  dann  der  Weg  zurück  zum  Parkplatz  zu  finden.  Er  hatte  sich  in  all  der  Hast  den  Weg  nicht  gemerkt.  Nach  zweistündigen  Irrwegen  fanden  sie  zurück.  Einigermaßen  zerzaust.  Er  sagte,  als  er  Anna  die  Autotür  aufhielt,  für  den  Rückweg  entschuldige  er  sich.  Anna sah ihn an, als sehe sie ihn heute zum ersten Mal. Dann  sagte  sie:  Unglaublich.  Und  er  dachte,  als  er  jetzt  Anna  ansah,  daß  ein  Gesicht,  das  man  kennt  seit  es  jung  war,  nie  bloß  alt  werden  kann.  Das  junge  Gesicht  schaut  aus  allen  Jahren heraus. Gesichter, die man erst als ältere kennenlernt,  sind  dann  wahrscheinlich  nichts  als  ältere  Gesichter.  Anna, 

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