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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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sofort  ein.  Jetzt  konnte  Gottlieb  den  japanischen  Arzt  ausführlich  loben.  Sie  werde  Gottlieb kontrollieren und ihn sofort darauf hinweisen, wenn  er  wieder  einen  halben  Ton  in  die  Höhe  rutsche.  Gar  nicht  genug wundern konnte sie sich darüber, daß ihr bisher noch  nie  in  den  Sinn  gekommen  sei,  Stimmbandprobleme  durch  Tiefersprechen  zu  behandeln.  Und  führte  ihn  auf  die  Terrasse. Zur Sonnenblume. Die hält sich, sagte Anna. Anna  wollte  also  über  die  Sonnenblume  auf  die  Spenderin  kommen.  Gottlieb  sagte:  Unglaublich.  Anna  sagte:  Ein  Blu menwunder. Und Gottlieb: Deine Pflege. 
    Anna  sagte, die Blume stehe noch genau da, wo sie am Tag  des Besuches hingestellt worden sei. Anna habe das Wasser  nicht  gewechselt.  Vielleicht  sei  die  Blume  mit  einem  Gift  behandelt worden, das jede Art von Biologie verhindere. 
    Du  hast sie ersetzt. Das ist nicht die Sonnenblume, die die  Besucherin  gebracht  hat.  Er  habe  sich  im  ersten  Augenblick  verblüffen  lassen,  jetzt  sehe  er,  daß  es  gar  nicht  die  selbe  Sonnenblume sei. 
Und Anna: Es ist die selbe, ich schwör¹s. 
    Und   Gottlieb:  Aber  sie  hat  jetzt  ein  anderes  Gesicht,  eine  andere Stimmung. 
Das  habe  sie  auch  bemerkt,  sagte  Anna.  Sie  führe  das  auf  das zurück, was die Spenderin erlebt habe oder jetzt erlebe.  Wie, findet Gottlieb, sieht die Sonnenblume jetzt aus? 
Vorher  war  es,  sagte  Gottlieb,  eine  runde  dunkle  Uner gründlichkeit, vollkommen beschirmt von einem makellosen  gelben  Blätterkreis.  Sie  sah  aus,  als  wisse  sie,  daß  man,  sie  anschauend, nichts mehr wollen könne, als sie anzuschauen.  Sie hatte sozusagen alles Selbstbewußtsein der Welt. 
Und jetzt, fragte Anna. 
Sie ist verstört, zerstört. Die Blätter stehen so, als wolle kein  Blatt mit dem nächsten Blatt noch irgendetwas zu tun haben.  Jedes  sträubt  sich  gegen  jedes.  Das  dunkle  Rund,  löchrig,  verwüstet.  Er  wundere  sich  nur  noch  darüber,  daß  er  das  nicht sofort gesehen habe. 
Das  Sehen  braucht  mehr  Zeit  als  das  Hören,  sagte  Anna.  Durch  das  Hinschauen  verändert  sich  das  Angeschaute  andauernd. Der Sehende produziert das Gesehene. Mehr als  der Hörer das Gehörte. 
Gottlieb sagte: Unglaublich. 
Und Anna: Was? 
Und Gottlieb: Du. 
Anna  nahm  den  Krug  mit  der  Sonnenblume  und  trug  ihn  hinaus. In den Garten. Als sie zurückkam, machte sie durch  eine  Geste  deutlich,  daß  Gottlieb  nicht  fragen  sollte.  Man  nennt das Entsorgung, sagte sie. 
Als  sie  beide  im  Haus  waren,  läutete  das  Telephon.  Anna  machte pantomimisch klar, daß Gottlieb den Telephondienst  wieder  zu  übernehmen  habe.  Gottlieb  meldete  sich.  Es  war  der vom Kamingeschäft. Als erstes sagte er: Sind Sie krank?  Gottlieb sagte: Nicht daß ich wüßte. Der mußte zuerst noch  bemerken,  daß  Herrn  Dr.  Zürns  Stimme  zuerst  geklungen  habe,  als  sei  Herr  Dr.  Zürn  krank.  Ja,  also,  ob  sich  Zürns  entschieden hätten, welches Kamingitter sie nehmen wollten.  Ja, sie haben. Sie nehmen das höhere. Das freute den. Er läßt  es noch heute nachmittag einbauen. 
Anna  schüttelte  den  Kopf  so  schwer  und  so  langsam,  wie  man  ihn  schüttelt,  wenn  man  etwas  überhaupt  nicht  mehr  versteht.  Gottlieb  fragte  nach.  Aber  Anna  sagte:  Laß  nur.  Gottlieb  fragte,  was  er  lassen  solle.  Anna  war  deutlich  bemüht,  jetzt  nichts  Trennendes  entstehen  zu  lassen.  Sie  seien  doch  endlich  wieder  eines  Sinnes,  was  sollen  da  die  Bagatellen.  Und  kam  zu  ihm  hin  und  legte  ihm  die  Hände  um  den  Hals.  Und  weil  er  spürte,  dass  sie  sich  anstrengen  mußte,  freundlich  zu  sein,  mußte  er  fragen.  Da  brach  es  förmlich  aus  ihr  heraus:  Du  hättest  nach  dem  Preis  fragen  sollen. Kein Mensch bestellt eine Ware, ohne nach dem Preis 

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