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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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über die Wohngemeinschaft sprechen, in der du gewohnt hast, danach können wir über alles andere reden.«
    »Hier?« sagte ich.
    »Nein. Ich würde vorschlagen, du fährst mit mir zur Borups-Allee raus. Ich möchte gern in einem etwas offizielleren Rahmen die Einzelheiten des Ganzen durchgehen.«
    »Warum denn?«
    »Borups-Allee, Peter.«
    »Gegen elf soll ich einen alten Freund treffen.«
     
    »Darf ich die Fotos mitnehmen?« sagte sie.
    »Hauptsache, du denkst dran, wem sie gehören.«
    »Es besteht keine Gefahr, daß ich das vergesse«, sagte sie.
    »Wann sehen wir uns dann?« fragte ich wie ein dummer Schuljunge.
    »Heute nachmittag. Wenn du kannst.«
    »Ich dachte eigentlich an das Abendessen.«
    »Dazu können wir uns verabreden.«
    »Borups-Allee. Das sage ich einfach dem Taxifahrer?« fragte ich.
    Sie lachte wieder.
    »Das ist die Polizeiwache Bellahøj, Peter. Da haust der PND.
    Wir sind nicht in Rußland oder Spanien. In Dänemark steht der Polizeiliche Nachrichtendienst im Telefonbuch. Frag einfach beim Pförtner nach mir.«
    »Wie beruhigend«, sagte ich und brachte sie wieder zum Lachen.
     
    16
    Die Redaktion der Fernsehnachrichten befand sich in einem niedrigen Betongebäude, das sich unter dem Riesensilo des Fernsehgebäudes duckte. Seit meinem letzten Besuch hatte man ganz oben am Hochhaus das rote DR-Schild von Danmarks Radio angebracht, und doch ähnelte es nach wie vor einem Haus, das man vom Dach bis zum Keller aus der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin nach Kopenhagen verpflanzt hatte. Als ich ankam, wartete Klaus bereits an der doppelten Glastür. Das erinnerte nicht an eine Nachrichtenredaktion, sondern höchstens an den Sitz der Geheimpolizei. In der Pförtnerloge saß niemand.
    Dies war ein Signal: Hier wünschte man keine Besucher.
    »Das muß die einzige Redaktion der Welt sein, an die sich die Leute nicht mit einer Geschichte direkt von der Straße wenden können«, sagte ich, als er mir aufgeschlossen und die Hand gegeben hatte.
    »Schreib dem Intendanten«, sagte Klaus mit wütendem Lachen. »Der Pförtner ist wegrationalisiert worden, und Besucher können so lange an der Tür rütteln, wie sie wollen.
    Rein kommen sie jedenfalls nicht. Gott bewahre. Aber das ist ja nicht nur bei uns so. Komm mit hoch.«
    Die Büros waren enge Käfige mit Glastüren in Reih und Glied.
    Auf dem Gang war es still. Ich kannte den Arbeitsrhythmus ja.
    Die Journalisten saßen hinter den Glastüren und telefonierten oder waren bereits bei der Aufnahme. Auch Klaus hatte ein sehr kleines Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, der von einem Computer beherrscht wurde und mit dem organisierten Journalistenchaos aus Zeitungen, Ausschnitten, Zeitschriften und Bändern bedeckt war. In einem Monitor, der von der Decke hing, lief CNN mit abgeschaltetem Ton. Er fegte einen Stapel Zeitungen von einem kleinen niedrigen Lehnstuhl und forderte mich auf, mich zu setzen. Dann holte er schwarzen Kaffee in einem Plastikbecher und setzte sich in seinen drehbaren Bürostuhl, und wir schwatzten zunächst über Gott und die Welt.
    Meist über gemeinsame Kollegen und was sie heute machten und dann über die allgemeine Unvernunft auf Erden. Er wirkte gehetzt, und jetzt sah ich, daß sich die zusätzlichen zehn Kilo im Gesicht und am Bauch festgesetzt hatten. Ich erzählte ihm von Lola und woher ich sie kannte. Er machte Notizen und fragte, ob ich zu einem Interview bereit wäre, wenn er die Sache weiterverfolgte. Einverstanden, sagte ich. Obwohl ich darin keine rechte Story erkennen konnte. Er hatte selbst seine Zweifel, weil die Geschichte eigentlich tot war, nachdem die politische Verantwortung plaziert worden war, wie er sich ausdrückte. Ich fragte ihn, wie man denn herausgefunden habe, daß die Zeugnisse fehlten. Er lachte, und ich spürte in seinem Gelächter etwas von dem alten waghalsigen Klaus. Aus seinem Tohuwabohu fischte er eine prall mit Zeitungsausschnitten gefüllte Plastikhülle.
    »Hier findest du alles, Peter«, sagte er. »Ich will mir das nicht zur Ehre anrechnen. Es war ein Journalist von Jyllands-Posten, der sich einfach auf seinen Arsch gesetzt hat und angefangen hat herumzutelefonieren. Er wollte Laila oder Lola oder wie zum Teufel sie nun heißt interviewen, und die Schnepfe, also Laila, wurde unausstehlich, als mein Kollege anfing, in ihrer Zeit in Moskau rumzubohren. Jørgensen von Jyllands-Posten kann Russisch und liebt dies ganze Zeug mit der russischen Seele und so, und deshalb wurde er

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