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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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geworden, die fähig war zu zeigen, daß sie alles wußte, obwohl sie wahrscheinlich gar nicht viel wußte.
    Ich mußte lachen. Lola war immer in Rollen geschlüpft, und in der snobistischen Welt der Kunst, wo die Definition, was große Kunst sei und was nicht, genausowenig greifbar ist wie Schneegestöber, hatte sie ihre Hauptrolle gefunden, aber sie durfte die Vorstellung nicht zu Ende spielen. Wenn sie in ihren Büchern Ordnung gehalten hätte, wäre sie vermutlich als Ritter des Dannebrog geendet. Dänemark ist ein kleines Land, und die Medien spielen völlig verrückt, wenn sich ein Däne außerhalb der Landesgrenzen bemerkbar gemacht hat.
    Nach der Enthüllung gingen die Politiker in Deckung und versuchten, den Schwarzen Peter der Auswahljury und den Beamten zuzuschieben. Nun sollte der Schlamassel unter den Teppich gekehrt werden. Der Mediensturm nahm zu, und plötzlich war sie eines Tages weg mit einer Stange Geld, die, je nachdem welche Zeitung davon berichtete, zwischen zwei und zwanzig Millionen variierte. Lola war wie vom Erdboden verschluckt. Der Druck auf den Regierungschef wuchs, aber mit der Opferung der Kulturministerin schien die Krise abgewendet.
    Ich legte die Ausschnitte wieder in ordentlicher Reihenfolge auf einen Stapel. Klaus kam zurück. Er stand mit Jackett und locker gebundenem Schlips in der Tür.
    »Tut mir leid, aber ich muß zur Aufnahme«, sagte er.
    »Ich verschwinde auch. Danke für die Ausschnitte. Was ist denn mit dem Geld? Gab’s keine Ermittlungen?« fragte ich und stand auf.
    »Offiziell schon, aber meine Quellen im Parlament in Christiansborg sagen, daß der Polizei zu verstehen gegeben wurde, sie solle ihre Kräfte für andere Dinge einsetzen. Die kleine Laila hat ja das ganze System an der Nase herumgeführt, und das weiß sich jetzt zu helfen, indem es die ganze Sache begräbt. Die Entlassung gestern war die obligatorische Schlachtung. Das reinigende Opfer. Jetzt soll das Museum seine Ruhe haben. Die Idee eines neuen Museums ist nach wie vor gut. In Zukunft soll es sich halt auf dänische moderne Kunst konzentrieren. Man muß nach vorn schauen, nicht zurück. Und so weiter blablabla.«
    »Mit andern Worten: Sie kommt davon«, sagte ich.
    »Komm, ich bring dich noch runter«, sagte er. »Solange sie sich nicht in Dänemark blicken läßt, wird ihr nichts geschehen.«
    »Weiß man, wo sie ist?«
    »Manche sagen London. Manche sagen Tokio. Andere Moskau. Keiner weiß es so richtig. Sie wird sich schon durchbeißen. Wahrscheinlich schreibt sie jetzt in ihren Lebenslauf, daß sie eigenhändig ein neues Museum in Dänemark aufgebaut habe, und als es dann ohne sie lief, habe sie neue Herausforderungen gesucht. Die Welt will betrogen werden«, sagte er, als er mich hinausbegleitete.
    Wir verabredeten, falls er etwas von mir wolle, würde er eine Nachricht im Royal hinterlegen. Ein gemütlicher Abend mit ein oder zwei Drinks lag in der Luft, ein bißchen Plaudern über alte Tage, als die ganze Welt sein Tummelplatz war, aber ich spürte, daß er eigentlich keine Lust hatte. Ich schien nicht mehr in sein Leben zu passen. Vielleicht wußte ich zuviel davon, wie er auch sein konnte, vielleicht wollte er nicht, daß seine neue Frau etwas genauer hinhörte. Wer weiß? Wir ändern uns alle. Ich war wahrscheinlich nur neidisch auf sein häusliches Glück und seinen Wunsch, seine Freizeit lieber mit der Familie zu verbringen als mit mir.
    Ich machte einen Spaziergang durch das sonnige Kopenhagen und gönnte mir eine Wurst an einem Imbißwagen, während ich die Fahrradboten beobachtete, die sich artistisch und lebensgefährlich zwischen Autos und Fußgängern hindurchschlängelten. Die in eine Semmel gequetschte Grillpølse ließ im Mund den Geschmack von Kindheit und Jugend wiederauferstehen. Diese seltsame Sprache mit den unausgesprochenen Nuancen und entscheidenden Stoßlauten. ’n Knacker mit Kuchen und ’n bißchen von allem, aber nicht so viel Rotes! Bedurfte es eines Kommentars, daß Ausländer diese Sprache unbegreiflich fanden? Konnten sie denn ein Land verstehen, in dem man »den Laden schmiß« und »frei von der Leber weg redete« und jemandem »einen Korb geben« konnte, was ziemlich unhöflich war? Ein zartes Knacken in fettiger Haut, dazu das trockene Brot mit einer im Grunde furchtbaren Mischung aus Senf, Ketchup und rohen Zwiebeln, alles zusammen ziemlich ungenießbar, aber im Sonnenschein und der kühlenden Brise schmeckte es nach einem Dänemark, an das ich mich gern

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