Der Augenblick der Wahrheit
T-Shirt.
»Ich würde eigentlich gern ein bißchen Geld sehen. Nichts für ungut, aber …«
»Hotel Royal in Kopenhagen«, sagte ich und zeigte ihm meine Kreditkarte.
»Alles klar«, sagte er. »Haben sie dich sitzenlassen?« fragte er in der ungeschminkten Art, die manche Dänen für selbstverständlich halten. Eben mal fragen, was passiert ist, und wenn man nun schon eine Stunde in einem Auto zusammen verbringen soll, kann man ebensogut miteinander reden. Eine im Grunde naive, kindliche Neugier, die meine Landsleute nicht als unpassende Einmischung oder grobe Indiskretion auffassen, sondern als Teil eines gemütlichen Plauschs.
»Paß mal auf«, sagte ich. »Du kriegst hundert Kronen Trinkgeld, aber unter einer Bedingung.«
Er drehte sich mit seinen blassen, fragenden Augen zu mir um.
»Du sagst kein Wort, bis wir am Royal sind. Nicht eins«, sagte ich.
»Ich weiß nicht genau, wo das Royal liegt. Ist das das SAS-Hotel? Das kurz vorm Rathausplatz?«
»Genau das. Du sagst kein Wort, bevor wir die Stadtgrenze erreicht haben, dann werde ich dich schon dirigieren. Ein Wort und null Trinkgeld.«
»Alles klar«, sagte er und startete den Mercedes, daß die Kiesel auf dem Platz vor dem Laden nach hinten spritzten.
Er hielt sich an unsere Abmachung, und ich hatte den Wodka geschafft, als er am Royal vorfuhr. Er kriegte neben dem Fahrpreis seine hundert Kronen auf die Hand und fuhr zufrieden nach Odsherred zurück. Ich ging in die Lobby, um meinen Schlüssel zu holen, da erhob sich aus der Polstergruppe ein Mann und trat auf mich zu.
»Na, da bist du ja endlich. Ich hab hier verdammt noch mal fast den ganzen Tag auf dich gewartet«, sagte Oscar und schloß mich in die Arme.
»Hallo, Oscar. Ist Gloria auch da?« sagte ich.
»Sie ist oben im Zimmer. Wie geht’s dir?«
»Beschissen wär geprahlt«, sagte ich.
»Sieht man. Und wieder voll mit dem Juice zugange, was, Lime? Aber immer mit der Ruhe. Die Siebte Kavallerie ist eingetroffen. Wir werden dich schon vor den Rothäuten retten.«
»Ich will einen Drink«, sagte ich.
»Geh in die Bar, ich ruf Gloria an. Sie vermißt dich, daß du’s nur …«
»Und sag ihr, wenn sie mir eine Moralpredigt halten will, braucht sie gar nicht erst zu kommen«, unterbrach ich ihn.
»Immer zu Diensten, alter Freund«, sagte Oscar.
Gloria küßte mich nach spanischer Art dreimal auf die Wangen, umarmte mich und hielt mich mit ausgestreckten Armen von sich, schaute mich an und schüttelte den Kopf, aber sie war so klug und hielt ihren Mund. Sie bestellte ein Glas Weißwein und schielte zwar auf Oscars und meinen Whisky, aber sie sagte nichts. In ihrem luftigen, farbenprächtigen Kleid, das gut zu ihrem schwarzen Haar paßte, sah sie entspannt und sehr spanisch aus. An den nackten Füßen trug sie goldene Sandaletten, und die Farbe ihres Nagellacks stimmte exakt mit dem Ton ihres Lippenstifts überein. Der Urlaub hatte ihnen gutgetan. Auch Oscar sah frisch und ausgeruht aus, und ich merkte, daß sie sich in einer ihrer verliebten Phasen befanden, da sie sich andauernd berühren mußten, und Oscar sah sie mit einem Blick an, der Lust und Besitzerstolz anzeigte, als wollte er sagen: Seht meine Frau, ist sie nicht göttlich? Aber vergeßt nicht, sie ist mein!
Ich erzählte die ganze Geschichte. Ich war unglaublich froh, sie zu sehen. Sie waren der einzige feste Halt in meinem Leben und die beiden Menschen, die mich am besten kannten, sowohl meine guten als auch meine schlechten Seiten. Sie verurteilten mich nicht, sondern akzeptierten mich, wie ich war. Sie waren meine besten Freunde, und wir hatten wenige Geheimnisse voreinander. Sie hörten ruhig und mitfühlend zu, und als ich zu meinem Strandfiasko kam, lehnte sich Gloria vor und streichelte mir die Wange.
»Armer Pedro«, sagte sie.
Ich haßte es, bemitleidet zu werden, aber ich wußte, was sie meinte. Ich hatte geglaubt, von Amelia befreit zu sein, über ihren und Maria Luisas Tod hinweg zu sein. Ich hatte geglaubt, sie ruhten umschlossen von meiner Trauer, aber das war nur die Oberfläche. Unbewußt war ich noch immer verheiratet und außerstande, untreu zu sein.
Gloria zündete sich eine neue Zigarette an, und Oscar bestellte noch eine Runde. Ich spürte den Alkohol, fühlte mich aber nicht im geringsten betrunken.
»Ich weiß, das ist nicht deine Art, Peter«, sagte Gloria, »aber meinst du nicht, daß es vielleicht eine gute Idee wäre, ein bißchen professionelle Hilfe zu suchen?«
Früher wäre ich
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