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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Anorexiepatientinnen aussehen. Ich fand sie unglaublich anziehend und ging zu ihr und trocknete sie behutsam ab, erst den Rücken und dann die Rückseite ihrer Schenkel. Sie bewegte sich nicht, aber als ich mich aufrichtete, um ihr mit dem Handtuch erneut den Rücken zu massieren, drehte sie sich um und sah mir in die Augen, und ich küßte sie, erst zärtlich, dann fester, und die Begierde traf mich wie ein Hammerschlag, bekannt und doch überraschend neu nach Monaten ohne körperlichen Kontakt mit einer Frau.
    Als hätte ich vergessen, daß die Begierde so gewaltsam sein kann, daß es fast weh tut. Ich zog ihr das Oberteil aus und fühlte, wie ihre Hände meinen Rücken hinunter und in meine Badehose glitten und sie über meine Pobacken und mit einiger Mühe über mein steifes Glied schoben, und wir lagen nackt in der Sonne auf unserer Decke hinter dem Hagebuttenstrauch. Ihre Haut war kühl und geschmeidig. Ich liebkoste sie behutsam, aber mein Begehren nahm zu, und ich glitt leicht in sie hinein, doch dann jagte mir eine Finsternis durchs Hirn, die meine Lust vertrieb, und meine Erektion verging, ich zog mich aus ihr zurück, und mit einemmal war es kalt, als hätte es von Norden aufgefrischt. Ich rollte von ihr weg, und mein Herz hämmerte, als hätte ich den erregendsten Orgasmus aller Zeiten erlebt, aber ich fühlte mich leer, wütend und verzweifelt und geplagt von einem bohrenden, irrationalen Schuldgefühl.
    Halb mit dem Rücken zu ihr setzte ich mich auf und spürte, wie ihre Hand mein Rückgrat hinunter bis über meine Oberschenkel strich. Das tat nicht gut, ich haßte mich selbst und mein Leben und richtete meine Selbstverachtung gegen sie und stieß ihre Hand weg.
    »Es macht doch nichts, Peter«, sagte sie leise, aber auch bedrückt. Ihre Atemzüge gingen schnell. »Wir haben viel Zeit.«
    Ich antwortete nicht, ich stand auf und zog mich hastig an.
    Mein Herz hämmerte noch immer, ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund und wollte sie nicht ansehen, aber das wäre zu feige gewesen, und als ich in meinen Kleidern war, drehte ich mich zu ihr um. Ohne Verlegenheit saß sie da und stützte sich mit den Händen leicht nach hinten ab. Ihre Brüste wölbten sich, und ihr Schoß mit dem dunklen Haar erschien mir in der Nachmittagssonne beinahe obszön.
    Ich drehte mich weg und ging auf die Ferienhäuser zu.
    »Peter, verdammt«, rief sie. »Peter! Bleib doch hier! Peter!«
    Ich ging schneller und fing an zu laufen und hörte nicht mehr, was sie sagte, weil mir das Blut in den Ohren rauschte, als ginge ich in einem heftigen Sturm. An der Stelle, wo der Pfad eine Biegung machte, um zu den ersten Ferienhäusern weiterzuführen, blickte ich zurück. Sie stand da, das Handtuch locker um den Unterkörper geschlungen, und sah mir nach. So blieb sie mir im Kopf: eine schöne nackte Frau mit einem blauen Handtuch im gelben Licht vor einem Hagebuttenstrauch mit schweren roten Beeren und dahinter ein blaues, stilles Meer, das so blank wie eine Eisscholle war.
    Ich rannte, bis ich einen blutigen Geschmack im Mund und einen Brechreiz spürte und mir meine Lungen pfeifend mitteilten, daß sie entweder Ruhe wollten oder aufhören würden zu funktionieren. Ich setzte mich auf einen Baumstamm und japste. Ich hatte keine Erinnerung, welchen Weg ich gelaufen war, aber die Landspitze war schmal, und durch ein paar hohe Birken konnte ich das Kattegat erkennen. Den Kopf auf die Hände gestützt, blieb ich ein wenig sitzen. Mein T-Shirt war am Rücken durchgeschwitzt. Als ich wieder normal atmete, steckte ich mir eine Zigarette an und ging langsam in Richtung Kattegat. Auf dem Weg zum Strand waren wir an einem Laden vorbeigefahren. Dort mußte man ein Taxi rufen und was zu trinken kaufen können.
    Ich kaufte eine Flasche Wodka und einen halben Liter Cola, und während ich auf das Taxi wartete, trank ich am Strand unterhalb des Ladens den puren Wodka und spülte mit Cola nach, bis die Colaflasche zur Hälfte geleert war. Ich füllte sie mit Wodka auf. Ich hockte hinter einem Boot und roch den Tang und hatte Lust zu heulen. Statt dessen trank ich. Ich hatte den Eindruck, Claras blauen Wagen langsam vorbeifahren zu sehen, als ob sie nach mir suchte, aber ich war mir nicht sicher.
    Der Taxifahrer war ein junger Mann mit kurzen hellen Bartstoppeln.
    »Ich möchte nach Kopenhagen«, sagte ich und setzte mich in den Fond.
    »Das ist eine lange Fahrt«, sagte er und musterte mein zerzaustes Haar, meine Jeans und mein schmuddeliges

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