Der Augenblick der Wahrheit
Mann. Mein Herz klopfte, ich schwitzte an den Handflächen, und ich mußte tief einatmen, um den ungewohnten Druck auf der Brust unter Kontrolle zu bringen. Ich war mehr als nervös, und ich hatte Angst. Um mir die Zeit zu vertreiben, machte ich fünfzig Liegestütze, nahm ein Bad und ging in die Bar und trank zwei Whisky, obwohl ich mir sagte, ich sollte es lieber sein lassen. Dann ging ich wieder auf mein Zimmer. Es war ein elegantes großes Doppelzimmer mit breitem Bett unter einem goldgerahmten Spiegel. Schwere rote Gardinen ließen nur ein schwaches Summen der Autoreifen auf den regennassen, dunklen Straßen ins warme Zimmer dringen.
Zwischen meinem und Claras Zimmer war eine Tür. Sie war verschlossen. Ich sah ein wenig fern, fand keine Ruhe und ging wieder in die Bar, bestellte aber nur eine Cola.
Am Empfang bekam ich die Herald Tribune. Oben in meinem Zimmer fing ich auf Seite eins an, und als ich die Peanuts ganz hinten erreicht hatte, hörte ich Geräusche im Nachbarzimmer.
Eine Tür schlug, und ich stellte mir Clara vor, wie sie durchs Zimmer ging und sich den Regen vom Mantel und aus den Haaren schüttelte. Ich stand auf, um auf den Gang zu gehen und an ihre Tür zu klopfen, und dann setzte ich mich doch wieder hin mit meiner Zeitung, aber weder die Peanuts noch Garfield konnten mich ablenken. Buchstaben und Zeichnungen verschwammen. Ich hatte mehr als die Hälfte meines Lebens hinter mir – und fühlte mich unsicher wie ein Schuljunge. Ich wußte, auch wenn ich anläßlich meiner Stasiakten hier war, war Berlin zugleich ein Test, ob ich wieder einen anderen Menschen lieben konnte. Er brauchte nicht wie Amelia zu sein, aber es war ein Test, ob ich mich der Hingabe hinzugeben wagte und damit auch der Möglichkeit, verlassen und verletzt zu werden, Erfahrungen, die ein unlösbarer Teil der Liebe sind. Ich hatte es die ganze Zeit gewußt, auch wenn ich es mir vorher nie eingestanden hatte. Aber ich konnte natürlich nicht wissen, ob Clara Hoffmann genauso dachte.
Dann hörte ich nebenan die Dusche. Sie wolle mit dem Auto kommen, hatte sie gesagt. Gut, daß ich nicht geklopft hatte.
Natürlich wollte sie sich den Reisestaub abwaschen. Das schob unsere Begegnung glücklicherweise eine Weile hinaus. Wenn sie fertig war, konnten wir einen Drink auf dem Zimmer nehmen und dann irgendwo essen gehen, und dann mußte ich sehen, wie der Abend ablief. Ich atmete tief ein und aus und fühlte mich ein klein wenig ruhiger.
Mit der Zeitung auf dem Schoß hörte ich plötzlich einen Schlüssel in der Tür, die die beiden Zimmer verband, und als sie aufging, stand Clara im Rahmen und sah mich an. Sie trug den weißen Hotelbademantel, aber der nur locker gebundene Gürtel gab den Blick auf ihre Brüste und einen Anflug des dunklen, dichten Schamhaars frei. Sie sagte nichts und schaute mich nur mit einem kleinen Lächeln an. Dann betrat sie das Zimmer, schloß die Tür hinter sich, ging zu meiner Zimmertür, befestigte außen das Schild »Bitte nicht stören«, schloß ab und hängte die Sicherheitskette vor. Das dauerte alles nicht lange, aber mir kam es wie in Zeitlupe vor. Als bliebe die Zeit fast stehen und als hörte die Welt im Hotelzimmer langsam auf zu existieren. Unter dem weißen Frottee wiegten sich weich ihre Pobacken, und wenn sie einen Schritt machte, konnte man die Innenseite ihrer glatten Schenkel erahnen. Ihr Haar war feucht und lockig, ihr Nacken hell, und mich packte ungeheure Lust, die kleine Stelle hinter ihrem Ohr zu küssen. Ich stand auf, und die Zeitung segelte auf den Boden. Mein Herz hämmerte wie wild, und es rauschte in meinen Ohren, als wollte der Blutdruck meinen Kopf zersprengen. Clara löste den Gürtel des Bademantels, während sie mir in die Augen schaute, und streifte ihn mit einer einzigen Handbewegung und einer kleinen Körperdrehung ab, so daß sich ihre Brüste leicht bewegten. Ihr Körper war schlank, aber sie hatte ein rundes Bäuchlein und sanft geschwungene Hüften. Ihre Haut hatte noch immer etwas vom goldenen Schimmer des Sommers bewahrt. Ihre Brustwarzen waren klein und dunkel und von leicht verschiedener Größe. Unter der linken Brust war ein kleines Muttermal. Fast genau so ein kleines Herz wie das, das ich unter ihrem linken Schulterblatt gesehen hatte. Sie hatte lange, schmale Beine, aber mit einzelnen kleinen Hautrissen am Oberschenkel, was sie nur noch reizvoller machte. Die Fußnägel waren im gleichen diskreten Rot lackiert wie die Fingernägel, und ihre Lippen
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