Der Augenblick der Wahrheit
den politischen Implikationen berichteten. Dann hätten sie ein Alibi, um nackte Brüste zu zeigen, aber es mußte eines der weniger erotischen Bilder sein. Aus Jux hatte ich auch ein Bild vom Beischlaf am Strand vergrößert, aber wie ich schon vermutet hatte, war es viel zu pornographisch, und Oscar warf bloß einen kurzen Blick darauf. Er wußte, daß damit kein Geld zu machen war.
»Gute Arbeit, Peter«, sagte er, während er langsam und sorgfältig die Serie noch einmal durchsah. Ich konnte fast hören, wie sein Hirn kalkulierte, welche Kunden welches Foto haben sollten. Die Agentur gehörte uns und Gloria. OSPE NEWS
nannten wir unsere eingetragene Aktiengesellschaft. Mein Name hatte nie unter einem einzigen Skandal-oder Paparazzofoto gestanden, das ich im Laufe der Jahre geschossen hatte.
Außerhalb unserer Szene war mein Name unbekannt, aber so gut wie jeden Tag tauchte ein urheberrechtlich geschütztes Foto von OSPE NEWS in irgendeinem Wochenblatt oder einer Tageszeitung der Erde auf. Und jeden Tag klingelte Geld in der Kasse. Sogar mein berühmtes Bild von Jacqueline Kennedy verkaufte sich noch. Wir hatten Filialen in London und Paris und machten viele andere Fotos, nicht nur von berühmten Leuten. Wir machten normale Reportagen, einer unserer Fotografen hatte für seine Bilder aus Ex-Jugoslawien Preise erhalten, und wir hatten ein paar hervorragende Sportfotografen in unserm Stall, aber das richtig große Geld brachten nun mal die Bilder von Prominenten in privaten Situationen.
Oscar nahm die Fotos und setzte sich an den weißen Tisch, den ich in der Mitte des großen Raumes stehen hatte. Hier trank ich mit Geschäftsfreunden Kaffee oder mit Kunden, die gekommen waren, wenn ich die andere Seite meines Berufs ausübte. Ich machte nämlich Fotoporträts, entweder von Berühmtheiten, die dafür ein Vermögen bezahlten, oder von Menschen, deren Gesicht mich auf der Straße, im Café oder in einem Wartesaal fasziniert hatte. Unter den Porträts stand mein eigener Name.
Oscar sah mich an.
»Die sind noch mehr wert, als du denkst«, sagte er.
»Er ist noch nicht lange genug Minister, um außerhalb Spaniens besonders bekannt zu sein.«
Oscar setzte sein Wolfslächeln auf.
»Peter, alter Junge. Ich seh’s dir an. Du weißt nicht, wer sie ist!«
Ich wartete. Oscar las Illustrierte in siebzehn Sprachen. Nicht weil er ein großer Voyeur wäre, sondern weil es zu seiner Arbeit gehörte. Er studierte den Jet-set der Welt mit der gleichen Feinfühligkeit, wie ein Börsenspekulant Kurse, Bilanzen und Neuigkeiten aus dem Ausland studiert. Um immer vorneweg zu sein. Um dem Markt, dem neuen Gott unserer Zeit, immer einen Schritt voraus zu sein. Um immer zu verstehen, wer gerade en vogue und im Scheinwerferlicht war und somit verwundbar und verkäuflich.
»Italien«, sagte er nur.
Ich nahm eines der Fotos. Das schöne, glatte Gesicht war wie das aller andern Gesichter hübscher Mädchen und gleichzeitig wiederum nicht, denn es erinnerte mich an jemanden. Der Schmollmund und die großen, leicht schräg gestellten Augen.
Ich versuchte, sie mir mit Make-up vorzustellen, um sie irgendwo unterzubringen. Make-up kann ein Gesicht dermaßen verändern, daß es fast unkenntlich wird, aber noch ehe ich das Gesicht eingeordnet hatte, sagte Oscar: »Das ist Arianna Fallacia. Sie muß es sein.«
Ich schaute mir das Bild an. Er hatte recht. Sie war nahe daran gewesen, auf dem letzten Festival in Cannes einen Preis einzuheimsen. Sie war die neue weibliche Hoffnung des italienischen Films. Nicht genug, daß sie in Italien und anderswo bekannt war, aber daß sie vor ihrer Filmkarriere die leichtbekleidete Quizmasterin einer dieser idiotischen italienischen Gameshows war, machte ihr Konterfei besonders profitabel.
»Stimmt«, sagte ich. »Wo sind die sich bloß über den Weg gelaufen?«
»Das alte Ferkel ist an einer von Berlusconis Fernsehstationen beteiligt. Außerdem hat er Geld wie Heu. Wahrscheinlich hat er sie in einer Zeitung gesehen und sie mit seinem Privatjet abholen lassen. Lecker Mädchen. Jetzt wird sie noch berühmter.
Er wird darüber stolpern, aber ihre Aktien werden an der Börse steigen, wenn Limes Bilder erst auf die Vorderseiten in Italien und Spanien rücken. Wer darf der erste sein?«
»Willst du ein Bier oder einen Kaffee?« fragte ich.
»Cola.«
Ich holte zwei Cola aus dem Kühlschrank und stellte sie vor uns auf den Tisch. Oscar sah mich an.
»Was ist los, Peter?«
»Vielleicht sollten wir die
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