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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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besser, als sie waren.«
     
    Ich umarmte ihn, er klopfte mir vorsichtig auf den Rücken. Es tat weh, aber auch gut, genauso wie der doppelte Wodka, den ich, ohne mit der Stimme oder der Hand zu zittern, im Flugzeug bestellte, nachdem es den südlichen Kurs nach Madrid eingeschlagen hatte und die grünen baskischen Hügel und die grauen hohen Berge und das grünblaue, weiß schäumende Wasser des Golfs von Biskaya unter seinen Flügeln verschwunden waren.
    Madrid tauchte wie ein beigegelber, versengter Steinhaufen auf und glich in der flimmernden Mittagshitze einem riesigen Wüstenfort. Ich ging hinaus in diese Sauna und die fünfzig Meter zu der Reihe wartender Taxis und merkte, wie das T-Shirt sofort am Rücken klebte. Die stillstehende, glühende Hitze vertrieb alle Madrider, die Mittel und Möglichkeit dazu hatten, aus der Stadt, wenn der August an die Tür klopfte. Aus dem Flughafengebäude hatte ich Don Alfonzo angerufen und bekam ein Besetztzeichen. Aus dem Taxi rief ich noch einmal an, und es war wieder besetzt. An seinem Haus hielt ein weißer Streifenwagen der Policia Nacional, und ich schwitzte noch mehr, bis ich Don Alfonzo in der Verandatür stehen und mit einem Beamten sprechen sah, während ich bezahlte und eine zentnerschwere Last von mir abfiel. Ich hatte das Schlimmste erwartet. Wie sehr ich auch mein Gedächtnis zermarterte, ich konnte mich nicht erinnern, was und wieviel ich den drei Iren verraten hatte.
    Don Alfonzo sah mich an und reichte mir förmlich die Hand.
    »Du ähnelst meinem Haus«, sagte er und trat zur Seite.
    Von außen war nichts zu sehen, aber innen herrschte das Chaos.
    Ein uniformierter Beamter der Policia Nacional ging in seinem kurzärmligen Hemd und mit der schweren Pistole und dem Schlagstock am Gürtel herum und machte sich Notizen, aber es sah so aus, als wären sie gleich fertig. Für die Polizei war die Sache banal, nur ein weiterer Einbruch unter Tausenden des Tages. Bei einer Arbeitslosigkeit von fünfundzwanzig Prozent und Tausenden und Abertausenden von Drogensüchtigen, Obdachlosen und illegalen Einwanderern waren Einbrüche in und um Madrid genauso normal wie die Fliegenscharen, die mit der Augusthitze kamen. Nach der verzweifelten Jagd der Diebe nach Bargeld oder leicht absetzbaren Waren sah das Haus aus, als hätte ein Orkan in den Zimmern gewütet. Alles war ohne einen Versuch, die Absicht zu verbergen, planlos, aber wirksam durchwühlt worden. Schubläden waren heraus-und Schranktüren aus ihrer Verankerung gerissen, Matratzen heruntergeworfen, Küchenschränke brutal auf den Boden geleert worden, überall lagen Kleidungsstücke, CDs, Bücher, Nippes und Bilder. Das gleiche Durcheinander herrschte oben. Don Alfonzo nahm es ruhig auf, aber man sah, wie erschöpft er war.
    Glücklicherweise hatte er Dona Carmen. Wo andere Frauen vielleicht die Hände gerungen und geseufzt und gejammert hätten, gehörte sie einer Generation an, die schon fast alles erlebt hatte. Bewaffnet mit Besen, Eimer und Lappen wartete sie ungeduldig darauf, daß sich die Polizei verzog, damit sie endlich anfangen konnte. Sie hatte vom Nachbarn Verstärkung gerufen; seine beiden kräftigen Töchter standen in rosa Kitteln mit Staubsaugern hinter ihr bereit wie eine winzige Abteilung Kampftruppen, die auf das Kommando des Sergeanten zum Aufräumangriff warteten. Don Alfonzo hatte immer das Talent gehabt, die Dinge für sich laufen zu lassen. Ich war nur froh, daß ihm nichts passiert war.
    Einer der Beamten stand an der Tür. Er blickte wie die Frauen auf mein zerschundenes Gesicht, aber Don Alfonzo hatte nur gesagt, ich sei sein Schwiegersohn, der zwischenzeitlich bei ihm wohne. Sie waren zu höflich, um zu fragen, aber aus den unzähligen Fernsehberichten über »meinen Fall« haben sie mich sicher erkannt. Die Polizisten starrten diskret – die Frauen unverhohlen.
     
    »Wir gehen dann, Don Alfonzo«, sagte der Beamte an der Tür.
    »Wir schicken später noch einen Inspektor, aber der Fall ist wohl leider klar. Sie sind eingedrungen, indem sie die Verandatür aufgebrochen haben. Ja, es ist wohl ein Einbruch wie alle anderen.«
    Er reichte Don Alfonzo ein Formular.
    »Hier haben Sie eine Kopie unseres vorläufigen Berichts. Für die Versicherungsgesellschaft. Sie sollten mal anfangen zu überprüfen, ob irgendwas fehlt.«
    Als die Polizei weg war, konnte man Doña Carmen und ihren beiden Knappen ansehen, daß sie darauf brannten, das Haus des Señors wieder in Schuß zu bringen. Don Alfonzo

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