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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Golfmützen und komisch karierten Hosen, während sie von Bogie, Birdie, Paar und Handicap redeten, so wie sie früher von Börsenkursen und Liebschaften zu reden pflegten.
    Ich bat den Taxifahrer zu warten. Mein Koffer und meine Tasche waren bei ihm sicher. Er hatte seine Nachmittagszeitung, sein Radio und seine Zigaretten und versprach, den Wagen nicht zu verlassen. Jedes Klicken der Uhr machte ihn glücklich. Ich hielt auf der Terrasse nach Oscar Ausschau, konnte ihn aber nicht entdecken. Sein Handy war abgeschaltet, denn ich bekam immer nur seinen Anrufbeantworter. Ich erinnerte mich, daß er einmal gesagt hatte, es sei gegen die Etikette, auf dem Platz mit eingeschaltetem Handy herumzulaufen, also spielte er wohl noch, aber gleich würde es schnell und heftig dunkel werden.
    Ich fragte einen Kellner, wo die letzten Löcher seien, und er zeigte hinter den alten Garten des Weinbergs, nachdem er kurz mein zerschlagenes Gesicht und meine unpassende Kleidung fixiert hatte. Ich leerte die Coladose und warf sie in einen Abfallkorb. Am Ende des Gartens hatte man einen grandiosen Blick über den Platz, der schön und hügelig und mit dem viel zu gut gewässerten Grün merkwürdig und falsch in der ausgedörrten Landschaft lag. Als wäre der Golfplatz in seiner Üppigkeit eigentlich ein Fremdkörper in dieser unfruchtbaren zentralspanischen Gegend, in der die Sonne alles weiß brannte.
    Ein großer Spielplatz für erwachsene Kinder, die in ihrer modernen Sucht nach Erlebnissen nicht darüber nachdachten, daß diese Anlage genausoviel Wasser wie ein größeres Dorf verbrauchte, um das Gras saftig grün zu halten.
    Das Fähnchen, das das achtzehnte Loch bezeichnete, stand gerade vor mir. Der Wimpel bewegte sich leicht in der aufkommenden Abendbrise. Oscar kam mit zwei anderen Männern heran. Sie trugen kurze karierte Hosen, die bis an die Knie reichten, und teure unifarbene Polohemden und Baseballcaps und zogen je einen Trolley mit einer Tasche mit Schlägern hinter sich her. Oscar weigerte sich, in einem Golffahrzeug zu fahren. Das fand ich gut. Ich sah, daß auf dem dichten Grün zwei weiße Golfbälle lagen, aber Oscar blieb stehen, und ich bemerkte seinen Ball etwa zwölf Meter vom Rand des Grüns entfernt.
    Oscar zog ein Eisen aus seiner Tasche, ging zu dem Ball und schwenkte es einige Male. Ich bin mit ihm ein paarmal auf Golfplätzen gewesen und habe wie ein Caddie seine Tasche getragen, wenn wir zum Beispiel auf Reisen waren und er sich dafür Zeit nahm. Ich selber spiele nicht, aber Golfplätze sind schön, und auf diese Weise konnte man mehrere Stunden miteinander verbringen. Tatsächlich entspannte ich mich, wenn ich mit ihm herumging, und er genoß meine Gesellschaft, obwohl wir gar nicht viel miteinander redeten. Ich kannte also das Spiel und seine Regeln und Ausdrücke. Oscar war ein hitziger Spieler, der den Ball mit Schläger und Eisen traktierte, als schlüge er eine Schlange mit der Machete tot. Eigentlich verstand ich nicht, warum ihn das Spiel so faszinierte, weil er oft wütend auf sich wurde, wenn er den Ball toppte und der wie ein verschreckter Hase über das kurzgeschnittene Gras flog. Er moserte tagelang, als ich ihn mit einem Zerstörer verglich, der im Zweiten Weltkrieg einen Konvoi über den Atlantik begleitet.
    Wie der Zerstörer, der im Zickzack fuhr, um den deutschen U-Booten zu entgehen, kreuzte Oscar auf der Jagd nach dem Ball, den seine wilden Schläge quer über das Gelände schickten, entschlossenen Schritts über das Fairway. Auch diesmal war er wieder zu hitzig. Er versuchte, den Ball mit einem kleinen, kurzen Schlag aufs Grün zu chippen, aber er schlug zu fest, und der Ball huschte wie eine Maus, die von einer Katze verfolgt wird, am Fähnchen vorbei und über das Grün und einen Sandhaufen dahinter, ehe er fast vor meinen Füßen liegenblieb.
    Ich stand hinter einem Baum und beobachtete ihn und hörte seine Flüche. Ich wußte, daß ich das nicht durfte, aber ich konnte es nicht lassen, ich hob den Ball auf und sah ihn auf seinen langen Beinen um das Grün herumstorchen und zwischen die Zypressen gehen und nach dem Ball suchen. Ich trat hinter dem Baum hervor und hielt ihn in der erhobenen Hand.
    »Suchst du den hier, Oscar?« sagte ich auf englisch.
    »Fuck you, Lime«, sagte er. »Du weißt, daß der Ball nicht berührt werden darf.«
    Ich warf ihn ihm vor die Füße.
    »Mach einfach von dort weiter«, rief einer seiner Mitspieler.
    Oscar schaute mich forschend an.
    »Verdammt noch

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