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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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hatte sämtliche Fenster und Klappen des Treibhauses geöffnet und einen Hauch von Durchzug erreicht, und trotzdem waren Hitze und Feuchtigkeit noch intensiver als in dem Backofen draußen. Die Blumen dufteten süß und etwas abstoßend, weil sich ihr Duft mit dem schweren Geruch nach Erde und Kompost vermengte. In der Mitte des großen Treibhauses mit den vielen verschiedenen, mir unbekannten Blumen und den Zitronen-und Apfelsinenbäumchen im Miniformat, die Don Alfonzo ebenfalls züchtete, stand ein Mistbeetkasten mit den Gerätschaften, die ein sorgfältiger Gärtner braucht. Don Alfonzo entfernte zunächst Eimer und Wasserkannen, die kleinen Schaufeln, etwas Schnur und eine Schere, hob dann die ganze Verdeckung ab und trat zur Seite.
    Der Kasten, der eher ein Tisch war, war hohl, und auf dem Boden stand ordentlich neben ein paar leeren Eimern und einem zerbrochenen Spaten mein Koffer mit dem im Licht glänzenden Zahlenschloß.
    »Du bist stärker und hast längere Arme. Das heißt, wenn du möchtest«, sagte Don Alfonzo.
    Ich beugte mich hinunter und hob den Metallkoffer heraus. Er war schwerer, als ich ihn in Erinnerung hatte, oder ich war immer noch geschwächt. Jedenfalls tat mir die Brust weh, als ich ihn hochwuchtete und zur Veranda trug. Don Alfonzo fragte, ob ich zum Essen bleiben wolle. Doña Carmen und ihre Knappen hätten das Haus bald in Schuß gebracht und dann könne sie etwas für uns kochen, aber ich hatte keine Lust. Ich wollte mit meinen Geheimnissen allein sein.
    »Ich will den hier nicht mehr sehen«, sagte ich statt dessen.
    »Ich werde ihn in meiner Bank deponieren.«
    »Wie du willst«, sagte er.
     
    »Sie können wiederkommen.«
    »Es ist deine Entscheidung«, sagte er lediglich, aber ich glaube, er war ein wenig enttäuscht. Vielleicht fühlte er sich in seinem stillen Leben ja in Wirklichkeit einsam, und vielleicht war ich der einzige, der ihm noch geblieben war. Eigentlich schien er ein sehr ausgeglichener Mensch zu sein, aber womöglich war es nur eine Kompensation für die mangelnde menschliche Gesellschaft, daß er seine schönen Blumen züchtete und in den verfallenen, vergessenen Schützengräben in Madrids Umgebung nach Erinnerungsstücken suchte.
    Ich rief ein Taxi an, warf den Koffer zusammen mit meiner Sporttasche mit Wechselwäsche auf den Rücksitz und bat den Fahrer, nach Madrid zu fahren. Er war ein örtlicher Taxiunternehmer, der mich schon ein paarmal chauffiert hatte, ein kleiner, kompakter Katalane, der schwarze Zigaretten rauchte, während er die verschiedenen Sportsender im Rundfunk durchprobierte. Am Rand des Dorfes lag ein supermercado, wo wir oft für Don Alfonzo Besorgungen gemacht hatten. Ich bat den Fahrer zu halten und kaufte eine Flasche Wodka und sechs Dosen Cola. Ich setzte mich wieder in den Fond, öffnete eine Dose, trank die Hälfte und füllte mit Wodka auf. Der Fahrer schaute in den Rückspiegel, enthielt sich aber jedes Kommentars. Was sollte er auch sagen? Er wußte, daß ich immer reichlich Trinkgeld gab, wenn ich also Lust hatte, in seinem Taxi Cola mit Wodka zu mischen, war das meine Angelegenheit. Ich rief das Büro an und fragte nach Oscar, aber seine Sekretärin sagte, er spiele Golf. Er müsse eigentlich jeden Moment mit seinen achtzehn Löchern fertig sein, meinte sie.
    Sein Klub lag fast auf dem Weg, so daß ich den Fahrer bat, zuerst dorthin zu fahren. Er war glücklich und zufrieden.
    Eine schöne lange Fahrt. Die Uhr tickte fleißig, während ich Cola-Wodka trank und die Wirkung spürte und mich einerseits selbst verfluchte und andererseits nicht darum kümmerte.
     
    Golf war in den letzten zehn Jahren der große Volkssport geworden, und überall wurden Plätze eröffnet. Es war, als käme jeden Tag ein neuer dazu. Oscar hatte sich an einen der renommierteren Klubs der Gegend herangemacht, nicht den nobelsten, aber doch reichlich nobel, wie ich seiner freudestrahlenden Prahlerei entnommen hatte. Das Klubhaus mit Restaurant und Bar war ein ehemaliges Weinschloß und lag am Ende einer Allee mit kerzengeraden Zypressen. Das Haus ragte in der späten, niedrigen Sonne empor, die die gelbbraunen Ziegel des schrägen Daches mit einem ersten Rot färbte. Es hatte Erker und Turmspitzen und war aus grauweißem Stein erbaut. Die weißen Tische und gelben Korbstühle unter den bunten Sonnenschirmen der Terrasse waren voll besetzt. Die Spieler hatten ihre achtzehn Löcher absolviert und bekamen ihren Aperitif und trugen noch ihre Polohemden,

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