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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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und in den Einigungsvertrag damals wurde die DDR-Betriebsgenehmigung mit übernommen und Endlagerung von schwach- und mittelaktivem Müll für weitere zehn Jahre ermöglicht. Angela Merkel hat in den 90er Jahren, in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin, dreist gelogen. (Bundesamt für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, gegründet 1986 nach Tschernobyl. Minister: Wallman, Töpfer, Merkel, alle CDU, ab 98 Trittin Bündnis 90/Die Grünen, Anm. G. G.) Bedenken Sie mal, die Frau ist promovierte Physikerin, und sie hat damals quasi garantiert, Morsleben sei ›10000 Jahre sicher‹. Sie gab eine Verlängerung der Genehmigung bis 2005. 2001 löste sich ein mehrere tausend Tonnen schwerer Salzblock von der Grubendecke, und es war nur ein glücklicher Zufall, daß er keine Behälter getroffen hat. Bürgerinitiativen und Greenpeace mußten per Gerichts-beschluß den Betriebsstop erwirken; bis heute wird ›stillgelegt‹, ohne daß was passiert.«
    Wir machen eine kurze Pause. Frau Tietke bringt zwei widerspenstige Pferde auf die Weide, wir betrachten die gradezu südländisch strotzenden Blumen und Kletterpflanzen in Hof und Garten, die von der Schwiegermutter hingebungsvoll gepflegt werden.
    »Ich will vielleicht kurz noch mal die Anfänge etwas deutlicher machen, damit auch die Jungen sehen, wie das hier mit uns gemacht wurde. Die ›Deutsche Ges. z. Bau u. Betrieb v. Endlagern f. Abfallstoffe‹ brauchte ja zwölf Hektar Land. Bevor die Aufkäufer hier aufkreuzten, hat es damals an insgesamt drei Stellen größere Waldbrände gegeben, zufällig genau an den Flächen, die dann zur Debatte standen. So einige Bauern haben damals verkauft, es wurden vier- bis achtfach überhöhte Preise geboten für schlechtestes Land, das zudem abgebrannt war und auf eigene Kosten hätte wieder aufgeforstet werden müssen. Viele Bauern aber haben widerstanden, und auch Graf Bernstorff, der hier ansässig ist und Grundbesitz hat, weigerte sich kategorisch und ist bis heute einer unserer unerbittlichsten Kämpfer. Na, jedenfalls wurde dann zum Glück die WAA abgeblasen; wir hatten in diesem Punkt gesiegt, aber sie hatten ja jetzt das Gelände. Und dann ging’s um die Zwischenlagergenehmigung. Hier mußte durch den Landgemeinderat abgestimmt werden. Und da hatten die Mitglieder ein Schriftstück von 1200 Seiten zu lesen vorher, um sich sachkundig zu machen. Also, das übersteigt die Kapazität von jedem, besonders aber von Bauern, die morgens um vier aufstehen zum Melken und um elf in der Nacht ins Bett gehen. Die Mehrheit hat einfach zugestimmt. Das war 1981. Hier im Landkreis brannte natürlich die Luft. Das war extrem, diese Feindschaft, die plötzlich ausgebrochen war, bis hin zu Schlägereien.
    Wir haben damals gesagt, die einzige Möglichkeit, die wir jetzt noch haben – denn Argumente scheinen nichts zu bewirken –, wir müssen es Politik und Betreibern so schwer wie nur möglich machen. Das ist ja bis heute unsere Prämisse. Und als das Zwischenlager genehmigt war, da gab es ja dann weitere ›Probebohrungen‹. 1001, 1002, 1003, und um jede Tiefbohrstelle gab es Kämpfe, bis hin, daß Bauern nachts Jauche reingepumpt haben. Und dann kam 1004. Von der Besetzung dieser Bohrstelle habe ich vorhin am Anfang erzählt; darauf wurde ja die Freie Republik Wendland errichtet. Der spätere Bundeskanzler Schröder, er war damals Juso-Vorsitzender, der hat dort auch mitgemischt. Er hat die Bewegung unterstützt. Als er Bundeskanzler war, hat er zu verstehen gegeben, ihr könnt gern zu mir nach Berlin kommen ins Kanzleramt, wir können fressen und saufen, aber bitte keine Politik!
    Zu den Probebohrungen gibt es auch noch eine sehr interessante Geschichte, die zeigt, mit welcher Unverschämtheit wir hier verschaukelt werden. 1981 wurde ja der erste Schacht abgeteuft, im September. Im Juni saß der Hamburger Geschichtsprofessor Helmut Bley im Intercity-Speisewagen und hörte zufällig eine lautstarke Unterhaltung zwischen mehreren Herren. Einer war ein Ministerialbeamter von der Genehmigungsbehörde, ein anderer war der Leiter der Abteilung ›Sicherstellung und Endlagerung‹ bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Das stellte sich aber erst später heraus. Und bei dem Gespräch ging es also darum, ob man den Erkundungsstollen, der maximal einen Durchmesser von 3,50 Metern haben darf, ob der nicht gleich 7,50 Meter Durchmesser bekommen soll, denn so breit muß ja der Stollen sein, um die Endlagerbehälter da nachher

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