Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
gezeigt: Es geht uns nicht um ein regionales Problem, um kein nur nationales, es geht uns um die Beendigung jeglicher Atomtechnik weltweit, egal, ob militärisch oder zivil. Das möchten wir wirklich dick mit Rot unterstreichen! Die verschiedenen Widerstandsgruppen haben dann damals beschlossen – trotz oder wegen dieses Todes –, weiterzumachen mit den Aktionen. Es wurden dann auch sehr viele schwarze X verwendet neben den gelben, um die Trauer auch damit zu dokumentieren.« Wir fragen nach der Herkunft dieses verbindlichen Widerstandssymbols.
»Das kam so, daß ja der Transporttermin immer so lange wie möglich geheimgehalten wurde und wird, und da hat man gesagt, wir mobilisieren für den Tag X. So war es plakatiert, so war es im Umlauf, und so wurde das gelbe X zum Widerstandssymbol. Das gibt’s inzwischen sogar in Silber, mit Brillis besetzt. Andre haben ein X im Nummernschild oder ein kleines gelbes am Spiegel hängen. Aber das Wesentliche ist, es ist bekannt, und man kann es überall schnell zusammenbasteln, mit Stöcken im Wald, mit Eisenbahnschienen, mit allem. Und diese X hier an den Fenstern und Häusern, die zeigen allen, wenn wieder ein Castor-Transport ansteht, hier könnt ihr klingeln, hier werdet ihr aufgenommen. Das sind so selbstverständliche Formen, die sich hier einfach über lange Zeit entwickelt haben. Und wie es aussieht, wird das auch so bleiben. Die Castor-Transporte werden uns weiterbeschäftigen, auf unabsehbare Zeit. Rot-Grün hat ja den versprochenen Atomausstieg nicht hingekriegt; der Atomkonsens ist ja eine reine Schwindelpackung, die Reststrommengen sind zu hoch, und die Urananreicherungsanlage Gronau z. B. wurde nach dem Atomkonsens ausgebaut usw. Die Atompolitik orientiert sich nicht an Ökologie und Strahlenschutz, sondern an den Interessen der Stromwirtschaft. Jedenfalls, diese unsinnigen Atommülltransporte müssen aufhören, Verträge hin, Verträge her! Der sicherste Platz ist in unseren Atomkraftwerken, nachdem sie abgeschaltet wurden. Stattdessen produzieren wir in Deutschland jährlich weiterhin 20000 Tonnen Atommüll, bringen ihn ins Ausland und holen ihn wieder zurück. Und dort wird er ja nicht ›aufgearbeitet‹, das klingt nur gut. Dort zerlegen sie die Dinger lediglich für eine Endlagerung, die noch kein Mensch kennt! Und man würde ja denken, dadurch wird’s weniger, aber wir bekommen die vierzehnfache Menge von dem wieder, was wir hingebracht haben, alles, was beim Zerlegen verseucht wurde. Und das alles geht nach Gorleben. So ein Castor- Behälter wird herumtransportiert über große Strecken, im Dannenberger Bahnhof auf Tieflader umgeladen, hierhergefahren. die Polizisten, die ihn ›schützen‹ mit ihrem Körper, werden ständig ausgewechselt wegen der Strahlung. Das radioaktive Potential in einem einzigen Castor-Behälters entspricht der Radioaktivität von bis zu vierzig Hiroshima-Bomben – also jetzt nicht Sprengkraft und so, sondern quasi der Fallout, der radioaktive Niederschlag nach einem schweren Unfall. Ein ganz leichter wäre auch schon eine schwere Katastrophe. Und diese ganzen Behälter, die stehen hier in einer Leichtbauhalle rum, strahlen Hitze ab. Also, unsere Kartoffelknollen sind besser geschützt! Es gibt in der Halle keinen Filter, keine Abschirmung. Nur Lüftungsschlitze, um die Wärme abzuführen. Und irgendwo gibt’s ein Strahlenmeßgerät.
Meine Schwiegermutter, die über achtzig ist, eine sehr besonnene Frau und frühere CDU-Wählerin, wie alle hier, die hat kürzlich gesagt: ›Da hilft alles nichts mehr, da müßt ihr mal eine Bombe reinschmeißen!‹«
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ÜBERMANNUNG
SOZIALARBEITERIN
Uta Ludwig, Leiterin von »Bella Donna«, Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel, Frankfurt/Oder. 1960 Einschulung Karl-Marx-Oberschule. 1970 Bezirksbeste bei der Bezirksolympiade i. Bereich Chemie (die Bezirksbesten durften 14 Tage in einem Uni-labor tüfteln). 1971 Geburt d. Tochter. Ausbildung z. Chemielaborantin i. Leuna, 1974 Abschluß. Abitur 1977, VHS Weimar. Ausbildung z. Krankenpflegerin. 1984 Abschluß. Ab 1985 Studium d. Textilgestaltung a. d. Kulturakademie Marxwalde (extern), Abschluß 1988, daneben verschiedene Tätigkeiten u. a. auf d. geschlossenen Psychiatrie (Forensik) d. Uniklinik Halle; Knastarbeit i. d. Freizeit; Leitung d. »Wichernheimes« (Pflegeheim) Frankfurt/Oder; künstlerische Leiterin im »Haus der Lehrer«. 1989 Gründung eines Künstlerclubs, frauenpolitische Aktivitäten, Abgeordnete im
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