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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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aber ich wollte …«
    »Was
Sie
wollen, ist mir herzlich egal, Doc.«
    Sie kehrte demonstrativ die leeren Hosentaschen ihrer Jeans nach außen.
    »Ich will mein Handy und meine Zigaretten zurück und endlich eine Erklärung, was ich hier soll.«
    »Das ist etwas kompliziert.«
    »Glaub ich sofort.« Alina verschränkte die Hände vor dem Brustkorb. »Am besten, Sie fangen von vorne an.«
    »Nein«, sagte Roth. »Am besten ist es, wenn ich es Ihnen zeige.«

16. Kapitel
    S ie gingen einen langen Flur entlang, der nach Farbe und staubiger Luft roch, und Roth ermahnte sie, den frisch gestrichenen Wänden nicht zu nahe zu kommen. Der penetrante Lösungsmittelgestank und die wenigen Geräusche um sie herum machten ihr eine Analyse der unbekannten Umgebung nahezu unmöglich. Alina wusste weder, wie hoch der Gang war, noch konnte sie den Abstand der Seitenwände abschätzen. Vor ihrem geistigen Auge entstand das Bild eines typischen Klinikflurs mit Linoleumboden und Holzbanden an den Wänden. Hin und wieder berührte Roth sie sanft am Oberarm, um ihr einen Tisch, eine abgestellte Krankenliege anzuzeigen oder einen entgegenkommenden Menschen, den er knapp und ohne Anrede grüßte. Roth erklärte ihr die Grundzüge der Architektur des Anlagekomplexes. Der größte Teil des Gebäudes war unterirdisch in den Hang hineingebaut, nur ein kleinerer Teil ragte zum Wasser hin aus dem Erdreich hinaus.
    Nachdem der Arzt ihr eröffnet hatte, dass sie den unterirdischen Sektor verlassen hatten, schritt er schweigend voran, was Alina die Möglichkeit gab, ihre Gedanken zu sortieren.
    Wo zum Teufel bin ich hier nur wieder hineingeraten?
    Es war ihr schon schwergefallen, John heute Morgen zu erklären, weshalb sie Scholles mysteriösem Hinweis folgen wollte und sich überhaupt auf den Weg nach Schwanenwerder machte.
    Weil der Polizist ein Arsch ist, aber kein Sadist, verstehst du? Zumindest quält er niemanden ohne Grund. Scholle verspricht sich etwas davon, wenn er mich dorthin schickt. Allerdings weiß ich nicht, was es ist …
    Nun, anscheinend hatte sie es herausgefunden. Die Kronzeugin hatte den Verstand verloren und saß auf Schwanenwerder in psychiatrischer Schutzhaft.
    Doch was habe ich damit zu schaffen?
Alina blieb abrupt stehen, ausgebremst von ihren eigenen Gedanken.
    Die wollen doch nicht ernsthaft, dass …
    »Moment mal, Herr Doktor. Ich werde hier niemanden mehr behandeln.«
    Natürlich, das war es. Hätten Stoya oder Scholle sie ganz offiziell gebeten, ihre Gabe noch an einer weiteren Patientin auszuprobieren, hätte sie ihnen den Mittelfinger gezeigt und abgelehnt. So aber war sie ihrer eigenen Neugier in die Falle gegangen.
    »Behandeln?«
    Alina hätte wetten können, dass Roth, der ebenfalls stehen geblieben war, sie gerade mit einem ähnlich fragenden Gesichtsausdruck ansah, wie ihn ihre Mutter immer aufgesetzt hatte, wenn sie ihr erzählen wollte, was im Kindergarten passiert war. Es gab nicht viele mentale Schnappschüsse, die Alina in ihrem Familienalbum der Erinnerungen abgespeichert hatte, die meisten waren über die Jahre vergilbt wie das Gesicht ihres Bruders Ivan. Doch das Mienenspiel ihrer Mutter, die ihre Schürze zusammenfaltete und ihr aufmerksam zuhörte, zählte noch zu den Schätzen, die sie für immer aufbewahrte.
    »Was meinen Sie mit ›behandeln‹?«, fragte der Psychiater.
    »Also, ich bin nicht hier, um …?« Alina winkte ab. »Vergessen Sie es!«
    »Ach, ich verstehe, natürlich. Sie sind ja Physiotherapeutin. Die Zeitungen schreiben Ihnen sogar mediale Fähigkeiten zu.«
    »Die schreiben vieles.«
    »In der Tat, aber nein, ich habe Sie nicht wegen Ihrer erlernten oder angeborenen Fähigkeiten gerufen.«
    Sie setzten sich erneut in Bewegung, und Alina fiel die Bemerkung der Bodybuilderin im Fahrstuhl wieder ein.
    »Der Besuch, auf den Sie so lange gewartet haben, ist endlich eingetroffen.«
    »Soweit ich weiß, haben
Sie
mich gar nicht gerufen. Ein Spinner hat mir eine Visitenkarte gegeben, und zwei weitere Spinner haben mich entführt.«
    »Das ist Ihre Sichtweise der Dinge, Frau Gregoriev.«
    »Ach ja? Wie ist denn Ihre?«
    Alina hörte, wie Roth mehrere Schlösser entriegelte, bevor er ihr eine Tür aufhalten konnte, die den renovierten Trakt mit einem älteren Flügel zu verbinden schien, zumindest roch es hier nicht mehr nach Renovierungsarbeiten.
    »Ich habe Herrn Stoya bereits vor vier Wochen um Ihre Mithilfe gebeten, doch er hielt es noch für zu früh. Ich bin froh, dass er seine

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