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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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hielt. Dann ballte sie wieder die Faust. »Spulen Sie vor!«
    Wieder gehorchte Roth, und wieder schämte sich Alina für das Gefühl der Erleichterung, das sich einstellte, als sie die Stimme des Jungen hörte. Was auch immer mit Julian geschehen sein mochte, er war nicht in seinem Versteck erstickt. Zorbach hatte es geschafft. Es gab kein Schicksal, keine Vorherbestimmung. Und wenn doch, dann hatte er ihren Lauf verändert. Fraglich war nur, ob zum Guten oder zum Schlechteren. Sie hob die Hand, um das Tondokument endgültig zu stoppen, und stand auf, ohne zu wissen, was sie damit bezweckte. Um sitzen zu bleiben, war sie zu aufgewühlt. Wütend und traurig zugleich.
    »Wäre mein Gehirn nicht so tierisch überfordert, würde ich Ihnen in die Fresse hauen und die ganze Bude zusammenschreien. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin oder bis ich mich wieder beruhigt habe, könnten Sie mir eine ganz einfache Frage beantworten: Wird er je wieder gesund werden?«
    Sie ignorierte Roths Bitte, sich zu setzen, und legte eine Hand hinter das Ohr, als habe sie Probleme, den Arzt zu verstehen.
    Roth seufzte. »Im Grunde ist Herr Zorbach körperlich in sehr guter Verfassung.«
    Alina zeigte ihm einen Vogel. »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein. Wie gut es ihm geht, können Sie schon daran ablesen, dass ich Psychiater bin und kein Neurochirurg, Frau Gregoriev. Die Probleme Ihres Freundes sind psychischer, nicht physischer Natur.«
    »Sagten Sie nicht, Alex habe sich eine 9-Millimeter-Kugel durch den Kopf gejagt?«
    »Ja.«
    »Das hört sich für mich schon sehr körperlich an.«
    Roth lachte zustimmend, dann sagte er: »Vielleicht haben Sie von Paraguays Fußballstar Salvador Cabanas gehört, dem in einer Discothek in Mexico City aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde. Nach wenigen Monaten schon wurde er in die Reha entlassen, und heute übt er angeblich wieder Kopfbälle – und das, obwohl seine Verletzungen im Vergleich zu denen von Herrn Zorbach viel drastischer waren. Cabanas’ Geschossbahn verläuft einmal quer durch sein Hirn, zudem steckt dem Nationalspieler immer noch die Kugel im Schädel. Bei Herrn Zorbach hingegen streifte sie nur minder relevante Teile, bevor sie im Nacken wieder austrat.«
    Alina fasste sich unbewusst an den Hinterkopf und setzte sich wieder.
    »Er hat keine Blutungen mehr, keine Schwellungen, keine Hämatome. Die starken Schmerzen, so wie er sie empfindet, und auch seine motorischen Einschränkungen können nach unserer Auffassung nicht auf die Schusswunde zurückzuführen sein, denn bei den verletzten Regionen selbst handelt es sich um schmerzunempfindliches Gewebe, und die Wunde der Eintrittsöffnung ist mittlerweile sehr gut verheilt. Den Kopfverband trägt er nur, weil er sich im Schlaf manchmal kratzt und wir ihm die Hände nicht fixieren wollen. Alle Gehirnscans zeigen uns: Wenn er wollte, könnte Herr Zorbach sprechen, lesen, schreiben und vermutlich sogar ohne fremde Hilfe spazieren gehen.«
    »Dann bildet er sich seinen Zustand nur ein?«
    »Nein. Herr Zorbach ist durch ein emotionales Minenfeld gegangen und hat seine gesamte Familie verloren. Seine starken Schmerzen sind die Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie wir sie zum Beispiel von Kriegsveteranen kennen. Das macht die Schmerzen für den Patienten deshalb nicht weniger real. Auf gut Deutsch: Ihr Freund leidet Höllenqualen. Nur hat sein Leiden keine körperlich lokalisierbare Ursache, weshalb die herkömmlichen Mittel kaum wirken.«
    »Sind das Fakten oder Vermutungen?«, fragte Alina.
    Roth räusperte sich. »Ich halte meine Diagnose für richtig, ganz sicher kann man aber nicht sein, da er ja nur sehr eingeschränkt mit uns kommuniziert und sein Gehirn offenbar in einen Selbstschutzmodus verfallen ist.«
    »Was soll das denn nun schon wieder heißen?«
    »Das ist etwas kompliziert zu erklären«, sagte Roth, der seinerseits aufgestanden sein musste. Alina hatte Probleme, Menschen an ihrer Stimme zu erkennen, nahm aber stets die kleinen Nuancen wahr, die sich veränderten, je nachdem, ob die sprechende Person saß, lag oder aufrecht stand.
    »Ich hatte Sie doch vorhin gefragt, was Sie über multiple Persönlichkeiten wissen, Frau Gregoriev. Einige Kollegen halten dieses Krankheitsbild noch immer für eine Legende. Sie bezweifeln die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, sich in verschiedene Identitäten aufspalten zu können, und halten Patienten, die mal mit kindlicher Stimme sprechen, mal in den

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