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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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und nach, während sie mit der Hand über das traumfeuchte Laken strich, wurde sie von den Reizen ihrer Umgebung geweckt. Sie roch die staubig-holzige Luft unter dem Dach, hörte das Rauschen des Verkehrs unten auf der Brunnenstraße, schmeckte den schlechten Morgenatem auf der Zunge. Doch heute war alles anders.
    Heute hatte sie die schwarze Leere vollständig verschluckt. Sie konnte weder hören noch riechen, spürte weder Hitze noch Kälte, und obwohl sie es noch nicht ausprobiert hatte, ging sie davon aus, dass auch ihre Stimme versagen würde.
    Fühlt es sich etwa so an, wenn man nicht mehr lebt?
    Alles, was ihr im Augenblick blieb, war eine diffuse Erinnerung an einen grellen Schmerz, der ihr vom Hals abwärts die Wirbelsäule hinabgeschossen war, bevor sie das Bewusstsein verlor. Dieser Schmerz wurde von anderen, unwirklich anmutenden Erinnerungen flankiert, in denen eine Damentoilette, ein Radiomoderator und Alexander Zorbach eine Rolle spielten, aber diese Eindrücke waren so schwer fassbar wie die Sequenzen eines Traumes kurz nach dem Aufwachen, was ebenfalls darauf hindeutete, dass sie das, was mit ihr geschehen sein mochte, nicht überlebt hatte.
    Aber wieso bin ich dann immer noch blind?
    Bei dem Gedanken wurde sie traurig. Aus irgendeinem irrationalen Grund war sie immer davon ausgegangen, dass sie nach dem Tod nicht mehr unter ihrer Behinderung leiden würde.
    In der Absicht, sich den Puls zu fühlen, versuchte sie die Arme zu bewegen, aber es gelang ihr nicht.
    Atme ich?,
fragte sie sich, ohne zu wissen, wie sie es herausfinden sollte, als sie plötzlich zur Seite kippte. Sie verlor das Gleichgewicht, ruderte mit Armen und Beinen auf der Suche nach einem Halt, der sie daran hindern würde, in den gähnenden Abgrund unter ihr zu fallen. Das war der Moment, in dem ihr klarwurde, dass sie noch schlief. Dass sich ihr Bewusstsein bislang geweigert hatte, die Traumwelt zu verlassen. Doch nun war etwas in der Realität geschehen, was es ihr unmöglich machte, weiter in dem gnädigen Zustand der Schwere- und Empfindungslosigkeit zu schweben. Hatte sie sich eben noch vor dem Tod gefürchtet, wurde sie nun von einem viel größeren Grauen gepackt, als sie ihre Fußknöchel spürte, die in harten Metallmanschetten steckten. Als sie das Klappern der Ketten hörte, mit der ihre Hände hinter dem Kopf gefesselt waren. Und als sie Zarin Sukers Zunge am Ohrläppchen spürte, während er mit heiserer Stimme sagte: »Willkommen in meinem Zuhause.«

28. Kapitel
    B inden Sie mich los.«
    Ihre Stimme klang so schwach, wie sie sich fühlte, was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass die Betäubungsmittel, mit denen er sie ruhiggestellt hatte, sich zu einem Großteil noch immer in ihrer Blutbahn befanden. Sie war unendlich müde, jeder Atemzug verlangte ihr eine äußerste Kraftanstrengung ab. Ohne die furchtgenährte Wut, die ihren Puls beschleunigte, wäre sie vermutlich wieder weggedämmert.
    »Suker, Sie krankes Arschloch«, sagte sie. »Ich rede mit Ihnen.«
    Der Augenarzt lachte über ihre vorgetäuschte Unerschrockenheit.
    »Ich verstehe, dass Sie sauer sind, Alina. Wäre ich auch, wenn ich an Ihrer Stelle auf dem Seziertisch liegen würde. Aber denken Sie, es ist eine gute Idee, den Mann mit dem Skalpell zu beleidigen?«
    Seziertisch? Skalpell?
Sie zwang sich zur Ruhe.
Nein, denk nicht darüber nach. Er benutzt diese Worte, um sich an deinem Entsetzen aufzugeilen.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie und würgte.
    Zu allem Übel dröhnte ihr nicht nur der Schädel, sondern sie musste auch noch gegen einen starken Brechreiz ankämpfen. Sie konnte sich nicht erinnern, ob Suker ihr das Barbiturat gespritzt oder einen getränkten Schwamm auf ihren Mund gepresst hatte. In jedem Fall hatten die Drogen ihr nicht nur das Bewusstsein, sondern auch das Zeitempfinden geraubt. Gut möglich, dass sie hier schon seit Stunden, vielleicht sogar seit Tagen lag, wobei Alina keine Ahnung hatte, wo sich
hier
überhaupt befand. Alles, was sie spürte, war das Fehlen jeglicher Schallreflexion in diesem Raum, dessen Größe sie daher nicht abschätzen konnte.
    John hatte ihr einmal eindrücklich die Bilder seines Lieblingshorrorfilms beschrieben, in dem ein gefliestes Schlachthaus eine wesentliche Rolle gespielt hatte, wo Rinderbauchhälften neben kürzlich ausgeweideten Menschenopfern hingen. In ihren Alpträumen war sie immer davon ausgegangen, in einer derartigen Umgebung aufzuwachen, sollte es einmal zum Schlimmsten

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