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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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und Helfer, war endlich eingetroffen.

41. Kapitel
    John
    H aben Sie meine Tochter gefunden?«
    Johanna Stroms Körpersprache zeichnete deutlich das Bild ihrer inneren Zerrissenheit. Die Augen hoffnungsvoll aufgerissen, die Hände zu einem verzweifelten Gebet vor dem Bauch verschränkt. Sie bemühte sich, Haltung zu bewahren, aber John meinte die seelische Last spüren zu können, unter der die Frau vor ihm zusammenzubrechen drohte.
    Er schüttelte bedauernd den Kopf und wurde sich der Doppeldeutigkeit dieser Geste bewusst, als Johanna sich eine Hand vor den Mund presste.
    »Oh
sorry,
nein,
Mam.
Ich weiß nichts Neues über Nicola.«
    Johanna ließ die Hand langsam wieder sinken. Sie wirkte verwirrt und tastete hilfesuchend nach dem Rahmen ihrer Haustür. Ein eisiger Wind stieß in Johns Rücken, doch Nicolas Mutter schien die Kälte nicht zu spüren. Sie machte keine Anstalten, ihn hereinzubitten.
    Erschöpft fragte sie: »Aber weshalb, ich meine … weswegen sind Sie denn dann zu mir hier raus gekommen, bitte?«
    Offen gestanden war sich John dessen selbst nicht so sicher. Seitdem die Polizei ihm die schreckliche Nachricht von Alinas Verschwinden überbracht hatte, hatte ihn die Sorge um seine Freundin nicht schlafen lassen. Und weil er nicht hilflos zu Hause auf einen Anruf warten wollte, hatte er sich zu der einzigen Person aufgemacht, von der er wusste, dass sie dem möglichen Entführer einmal persönlich begegnet war. Die Adresse hatte auf dem Zettel gestanden, den Johanna Alina bei ihrem Besuch noch in die Hand gedrückt hatte. Ein Farbdruck im Flugblattformat, nicht zu groß, damit man das Gesicht des müde lächelnden Teenagers gut sehen konnte, wenn es an einem Laternenmast klebte. VERMISST prangte in Druckbuchstaben über Nicolas Stirn. Die Aufnahme zeigte Johannas Tochter mit schwarz gefärbten Haaren, ungeschminkt und ohne Schmuck, damit mögliche Zeugen nicht durch veränderliche Merkmale abgelenkt werden konnten. »Auf der Rückseite steht, wo Sie mich finden können.« Mit diesen Worten hatte Johanna sich von Alina verabschiedet. Als sie ihren Fauxpas bemerkte, hatte sie sich wortreich entschuldigt und John ein zweites Flugblatt gegeben.
    Und nun stehe ich hier und suche selbst jemanden, den ich liebe.
    Im Inneren des Hauses piepte eine Mikrowelle, was Johanna offenbar daran erinnerte, dass ihr ungebetener Gast nun schon seit mehreren Minuten vor dem Eingang in der Kälte fror.
    »Es tut mir leid, wie unhöflich. Bitte, kommen Sie doch herein.«
    John sah ihr nach, wie sie in Richtung Küche eilte, und folgte ihr.
    Drinnen war es warm, aber noch ungemütlicher, als er befürchtet hatte. Die Reihenhaussiedlung am Zehlendorfer Stadtrand wurde von Maklern überschwenglich als »Town-Villen im Bauhaus-Stil« angepriesen. Für John waren es Schuhkartons mit Flachdach, deren einziger Vorteil darin bestand, dass man sich das Radio sparen konnte, weil man wegen der dünnen Wände ohnehin alles vom Nachbarn mitbekam. Alina hatte in einer Phase ihres Lebens, in der es ihr psychisch sehr schlechtging, mit dem Gedanken gespielt, aus der Innenstadt weg und raus ins Grüne zu ziehen, doch John hatte ihr die »zweckmäßig gestalteten Räume« (sprich: »einfallsloser, quadratischer Grundriss«) nicht lange ausreden müssen.
    »Es tut mir leid wegen der Unordnung, aber …« Johanna deutete auf eine ungeöffnete Umzugskiste vor dem Fenster, als John die Küche betrat. Er hatte zwei weitere bereits in der Diele und im Wohnzimmer gesehen. Alle verschlossen. Im gesamten Haus gab es weder Teppiche noch Bilder oder persönliche Gegenstände.
    »Ich will hier nicht lange … Ich meine … Sie verstehen schon.«
    John nickte. Niemand, der sein Kind vermisst, lässt sich in einer fremden Stadt häuslich nieder. Johanna lebte hier nicht, sie schlief hier nur, und angesichts ihrer übernächtigten Augen war er sich selbst dessen nicht mal sicher.
    »Also schön, was kann ich für Sie tun?«, fragte sie erneut und trug den Teller aus der Mikrowelle zum Mülleimer. Sollte sie tatsächlich Appetit auf Salamipizza zum Frühstück gehabt haben, so war ihr der mit Johns Besuch offenbar vergangen.
    »Weshalb, ich meine … Wieso sind Sie zu mir gekommen, wenn es nicht um Nicola geht?«.
    »Um Ihnen genau die gleiche Frage zu stellen. Weshalb haben Sie Alina besucht?«
    »Ich verstehe nicht.« Johanna rieb ihre Hände vor dem Bauch, als wollte sie sie an einer Schürze abtrocknen.
    »Sie waren doch dabei, oder

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