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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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gesprungen wäre. »Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich mehr als nur eine Theorie habe. Ich gebe Ihnen einen sehr, sehr wichtigen Ansatzpunkt.«
    Hohlfort machte eine weitere bedeutungsschwangere Pause, in der nichts als das stete Rauschen der altersschwachen Heizungsanlage zu hören war. Dann räusperte er sich und sagte in nahezu pastoralem Tonfall: »Der Augensammler wählt Kinder aus, die von ihren Vätern abgelehnt werden.«
    »Weshalb?«, fragten die beiden Ermittler wie aus einem Mund.
    Hohlfort setzte eine Miene auf, als wäre es unter seiner Würde, etwas so Offensichtliches laut auszusprechen. Schließlich ließ er sich doch dazu herab: »Weil diese Kinder ebenso wie die Zyklopen in der griechischen Mythologie das Produkt einer verbotenen Beziehung sind.«

56. Kapitel
    (Noch 9 Stunden und 11 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Alexander Zorbach (Ich)
    Das ist falsch«, sagte Alina tonlos. Sie atmete schnell, die Augen flatterten unruhig unter den geschlossenen Lidern. »Wir sollten das nicht tun.«
    »Keine Sorge«, sagte ich und hoffte, dass sie mir meine Verzweiflung nicht anhörte. »Es dauert nicht lange.« Dann versuchte ich sie in das Zimmer zu führen, doch sie schob widerwillig meine Hand weg.
    Ich verstehe dich, dachte ich und war froh, dass Alina meine verweinten Augen nicht sehen konnte. Ich will auch nicht mehr dahin zurück. Aber jetzt ist es nicht mehr nur beruflich. Jetzt ist es persönlich. Betäubt von der Wahrheit, dass Charlie tot war, hatte ich zuerst keine Anstalten gemacht, mich gegen ihren Ehemann zur Wehr zu setzen. Ich wusste nicht, wie die Waffe auf einmal in seine Hand gelangt war, und ehrlich gesagt wollte ich darüber ebenso wenig nachdenken wie über die Frage, weshalb er am Ende doch nicht geschossen hatte. Man braucht kein Psychologe zu sein, um zu erahnen, was ein vom Schicksal gebeutelter Mann in seiner tiefsten, einsamsten Stunde mit einer geladenen Pistole beabsichtigt. Wenn Traunstein sie gegen sich selbst hatte richten wollen, dann hatte ihn der Alkohol jeglicher Kraft dazu beraubt. Erst recht hatte ihm die Kraft gefehlt, mich zu erschießen, und so war ihm in einer Schrecksekunde, in der wir uns beide vom Schock der Erkenntnis gelähmt gegenüberstanden, die Waffe aus der Hand geglitten und zu Boden gefallen; auf den dicken Teppich neben der Couch, wo sie immer noch lag.
    »Was wollen wir hier?«, fragte Alina. »Antworten.«
    Mein Schicksal schien mit dem des Augensammlers durch einen unsichtbaren Strick verbunden, der sich von Minute zu Minute enger um mich schlang. Auch wenn die Trauer um Charlie, deren richtigen Namen ich eben erst auf grausame Art hatte erfahren müssen, kaum zu ertragen war, konnte ich nicht einfach fortgehen. Ich brauchte Gewissheit, und deshalb war ich zum Auto gegangen und hatte Alina dazu überredet, mich in Traunsteins Villa zu begleiten. »Hier stinkt's nach Tabak, Alkohol und Schweiß«, sagte sie zögernd. Sie hielt sich mit einer Hand an der Klinke zur Tür des Wohnzimmers fest, während sie mit der anderen meinen Oberarm umfasste, exakt dort, wo ich das Raucherentwöhnungspflaster aufgeklebt hatte. »Und da ist doch noch was anderes?« O ja. Da ist noch was.
    Ich löste sanft Alinas Hand von der Klinke und führte sie in das gediegene Wohnzimmer, das nach wie vor nur vom Licht des Projektors erhellt wurde. Den Film hatte ich gestoppt, um die unerträglichen Bilder nicht länger sehen zu müssen. Bilder, die mich daran erinnerten, dass ich schon wieder einen wichtigen Menschen in meinem Leben verloren hatte. Und diesmal unwiderruflich. Ich räusperte mich. Traunstein hob den Kopf und begann leise zu wimmern.
    »Wer ist das?«, fragte Alina und blieb erstarrt stehen. Als Traunsteins Stöhnen lauter wurde, drückte sie meine Hand noch fester. »Was zum Teufel ist los mit ihm?«
    »Ihm geht's gut«, sagte ich. »Und wieso sagt er nichts?« »Weil ihm ein Knebel im Mund steckt.« Genauer gesagt das Einstecktuch seines Jacketts. Ich löste meinen Arm aus Alinas Umklammerung und ging zu dem Schreibtischsessel in der Mitte des Raumes, auf den ich Traunstein mit einem Verlängerungskabel gefesselt hatte, was gewiss nicht die beste Entscheidung meines ohnehin verkorksten Lebens gewesen war. Aber sobald Stoya herausbekam, dass ich mit einem der Opfer ein Verhältnis hatte (dessen platonische Natur mir angesichts unseres Treffpunkts ohnehin niemand glauben würde), wäre der gefesselte Witwer mein geringstes Problem. Traunstein

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