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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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sagte nicht weiterspielen, womit er ja wohl nur sein krankes Versteckspiel gemeint haben kann.«
    Sie unterbrach sich: »Und du? Weshalb bist du zurückgekommen?«
    »Ich brauche deinen Fernseher.«
    Sie drehte mir das rechte Ohr zu. Eine Geste, mit der sie mich ihrer vollen Aufmerksamkeit versicherte. »Wozu das?«
    Ich erzählte ihr von der Kamera in der Kunstgalerie. »Sie filmt jeden, der aus deinem Hauseingang tritt«, schloss ich meine Erklärung. »Und?«
    »Und sie ist mit einem Festplattenrekorder verbunden.« Ich zeigte sinnloserweise den Flur hinunter, wo ich das Ding auf eine Kommode gestellt hatte.
    »So ein Teil speichert bis zu hundertzweiundsiebzig Stunden Bildmaterial, vermutlich länger.« »Scheiße, sag nicht, du hast eben da unten den Alarm ausgelöst?«
    »Wozu ein Pflasterstein nicht alles taugt.« Ich versuchte, ein Lächeln in meine Stimme zu legen: »Komm schon, es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis die Polizei eins und eins zusammenzählt und bei dir klingelt.« Sie schüttelte den Kopf, atmete tief durch, und ein weiteres Stück ihrer körperlichen Anspannung schien von ihr abzufallen.
    Auch wenn sie es wahrscheinlich nicht einmal vor sich selbst zugab, spürte ich doch, dass meine Gegenwart sie etwas beruhigte.
    »Ich muss bescheuert sein«, sagte sie, setzte sich aber in Bewegung.
    Ich folgte ihr, nachdem ich hastig zur Kommode zurückgeeilt war und mir den schweren Kasten gegriffen hatte. Die Schnittwunde, die ich mir beim Einwerfen der Schaufensterscheibe zugezogen hatte, blutete mittlerweile nicht mehr.
    Unser Weg durch die unerwartet helle Wohnung führte mich an einer Balustrade entlang am Badezimmer vorbei in ein Wohnzimmer mit angeschlossener offener Küche. Erst jetzt erkannte ich, dass das Appartement zwei Stockwerke hatte.
    Mit schnellen, sicheren Schritten wich Alina einer abwärtsführenden Wendeltreppe aus und öffnete eine Tür, die vom Wohnzimmer zur Hofseite führte.
    TomTom war uns hinterhergetrottet, blieb aber im Wohnzimmer neben der Couch liegen.
    »Willst du dir nicht was anziehen?«, fragte ich sie, als wir in dem Raum standen, der unschwer als ihr Schlafzimmer zu erkennen war. Auch hier wunderte ich mich über die vielen Spiegel, einer hing sogar an der Decke. »Wieso?«, fragte sie mich und ging mit ruhigen Schritten zu dem großen Standfernseher gegenüber von ihrem Bett. »Du bist nackt«, sagte ich und dachte insgeheim: Und ich bin auch nur ein Mann.
    »Meine Heizung funktioniert«, entgegnete sie lakonisch. Sie bückte sich, um die Kabel von ihrem DVD-Player zu lösen, und ich wusste für einen Moment nicht, wo ich hinschauen sollte, wenn ich mir nicht wie ein Voyeur vorkommen wollte. Normalerweise konnte ich weder Piercings noch Tätowierungen etwas abgewinnen, und kahl geschorene Schädel, selbst wenn sie mit einem labyrinthartigen Muster versehen waren, standen auch nicht gerade weit oben auf meiner Beliebtheitsskala.
    Charlie hatte mir einmal erklären wollen, wie dicht Sex und Schmerz beieinanderliegen, doch ich hatte diesen SM-Fetisch-Gedanken noch nie nachvollziehen können. Nun, vielleicht hatte sie ja doch recht, und am Ende standen nicht nur Schmerzen, sondern der Tod selbst in einer intensiven Wechselwirkung mit der sexuellen Begierde. Anders konnte ich es mir nicht erklären, weshalb ich mir ausgerechnet in diesem Moment wünschte, Alinas nackte Haut zu berühren, obwohl meine Sinne doch ganz und gar auf Flucht vor einem perversen Serienmörder hätten gepolt sein müssen.
    Und auf Flucht vor der Polizei!
    Jedenfalls war es nicht die Vernunft, sondern der traurige Gedanke an Charlie, der mich daran erinnerte, worauf ich mich als Nächstes zu konzentrieren hatte. Alina stand wieder auf und überließ mir den Fernseher. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte ich den Festplattenrekorder angeschlossen.
    »Musstest du das Schaufenster der Galerie einschmeißen?
    Das sind so liebe Künstler, denen das gehört.«
    Alina gab mir die Fernbedienung, und ich schaltete auf AV.
    »Ich hatte keine Wahl. Zuvor habe ich Stoya angerufen und ihn gefragt, ob er sich ein Videoband anschauen würde, auf dem vielleicht der Augensammler zu sehen ist.«
    »Und?«
    Ich seufzte. »Er wolle seine Zeit nicht mit meinen Ablenkungsmanövern verplempern.«
    Ich sah zu Alina hoch, die jetzt auf der Bettkante saß. Sie war so schlank, dass ihr Bauch nur eine Andeutung von Falten warf, obwohl sie sich nicht sonderlich gerade hielt. »Also muss ich es wohl selbst

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