Der Augensammler
auf dem Textband erzählte.
»Ich komme mit«, sagte sie, als sie hörte, wie ich den Schlüssel in das Schloss steckte.
Nur um zu probieren, ob er passt. Sicher, Zorbach. Und jetzt? Was machst du jetzt, wo du das Schloss entriegelt hast?
»Nein, du bleibst hier und rufst um Hilfe, wenn ich in fünf Minuten nicht wieder rauskomme«, sagte ich, wohl wissend, dass Alina nicht der Typ Frau war, der sich von Männern wie mir Vorschriften machen lässt. Jemand, der blind Fahrradfahren gelernt hatte, hatte keine Angst vor dunklen Häusern.
Es machte klick, dann schwang die Tür wie von alleine auf. benutz ihn, du .
»Hallo?«, rief ich in die vor mir liegende Dunkelheit hinein.
Nichts. Nur dichte, undurchdringliche, schwarze Stille.
. bist tot .
»Also schön«, dachte ich und aktivierte mein Handy wieder, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Dann trat ich, dicht gefolgt von Alina und TomTom, in den Vorraum.
Es ist nur ein harmloser Bungalow, den eine Blinde in ihren Visionen gesehen hat. Was also soll mir hier drinnen schon groß passieren?
39. Kapitel
(Noch 6 Stunden und 20 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Tobias Traunstein
Tobias wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er es überhaupt getan hatte, denn als er in der Dunkelheit erwachte, fühlte er sich schläfriger als jemals zuvor in seinem Leben. Luft, war sein erster Gedanke, denn er glaubte zu ersticken. Dann stieß er sich den Ellbogen an einer harten Holzkante.
Nicht mehr weich, war sein zweiter Gedanke. Die Wände seines Gefängnisses gaben nicht mehr nach, und nun glaubte er endgültig in einem Sarg zu liegen. Seine Hände tasteten über den harten Boden, und wenig später berührte er den Stoff, der ihn bis vor kurzem noch umgeben hatte. Er fühlte sich an wie die Oberfläche seiner wasserabweisenden Regenjacke oder wie Jeans, auf die etwas Wachs getropft war, so wie damals, als ihm auf der Adventsfeier die Kerze runtergefallen war. Ein dünnes, elastisches Gewebe mit einem Reißverschluss an den Seiten. Moment mal, war das etwa ein ...
... ein Koffer? Ja, natürlich. Sie hatten ihn in so ein schwarzes Rolldingsbums gesteckt. So eins von der Sorte, mit dem Papa immer auf Geschäftsreise fuhr. Nur, dass es viel größer war und Platz für einen Kinderkörper bot. Doch wo bin ich jetzt? Erst war ich in dem beschissenen Koffer .
Okay. Das ist ein Spiel. Jens und Kevin haben mich irgendwo reingesteckt, aber sie haben mir auch etwas gegeben, um mich zu befreien. Die Münze.
Obwohl er sich irgendwie nicht vorstellen konnte, dass einer seiner Freunde ihm wirklich etwas in den Mund gelegt haben sollte, wollte er über eine andere Alternative gar nicht erst nachdenken. Besser, er war seinen Kumpels ausgeliefert, als einem Fremden.
Okay, die Münze gab es für den Reißverschluss. Was liegt hier noch?
Vielleicht ein Schlüssel, ein Feuerzeug. Oder ein Handy. Ja, ein Handy wäre super.
Er würde die Polizei anrufen oder Mama oder, wenn es sein musste, auch Papa, aber der ging eh nicht ran, weil er zu viel zu tun hatte und .
Moment mal. Papa hat sich doch mal darüber aufgeregt, dass sein Handy weg war. Hat Lea und mich angebrüllt, weil er dachte, wir hätten es geklaut. So lange, bis Mama es ihm schließlich gab, weil sie es in seiner Tasche gefunden hatte.
In der Außentasche seines Koffers! Natürlich. Ein Koffer hat Taschen ... Vielleicht...? Tobias zog den Trolley zu sich ran, suchte nach den Reißverschlüssen an der Außenseite und öffnete einen nach dem anderen. In einem kleinen, schmalen Seitenfach wurde er schließlich fündig. Ein Schraubenzieher?
Ungläubig zog er das längliche Werkzeug hervor, tastete über den Holzgriff, über den Stahl bis zu der stumpfen Spitze - und begann zu weinen.
Wie zum Teufel soll ich mit einem kaputten Schraubenzieher Mami anrufen?
Diesmal waren es Tränen der Wut, die ihm in die Augen gestiegen waren. Er machte den Fehler und schlug mit geballter Faust gegen die Holzwand. Es klang hohl. Der Schmerz ließ ihn noch heftiger weinen. Scheiße, Kevin, Jens... Wo habt ihr mich hier reingesteckt? Tobias pustete sich Luft auf die geprellten Fingerknöchel, so wie seine Mutter es immer tat, wenn er mit einer Beule vom Spielen nach Hause kam. Er musste an seinen siebten Geburtstag denken. An diesem Tag hatte er von seinem Opa das blödeste Geschenk der Welt bekommen. Nachdem er die hässliche, dickbäuchige Holzfigur ausgepackt hatte, die man auf Bauchhöhe in
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