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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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einzige Orientierungshilfe waren die spärlichen Lichtstrahlen, die hinter mir ihren Weg durch die halb geöffnete Haustür fanden. Ich tastete nach einem Lichtschalter an der Wand, doch als ich ihn umlegte, tat sich nichts.
    »Was ist das?«, fragte Alina, die an mir vorbeigegangen war und sich um einen Esszimmertisch in der Mitte des Raumes herumtastete. Über die Finsternis hier drinnen würde sie sich wohl kaum wundern, und so vermutete ich, es wäre die Kälte, die sie störte.
    »Hier gibt's keinen Strom. Vermutlich geht die Heizung deshalb nicht.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Was dann?«
    »Das Zischen. Hörst du es nicht?«
    Ich hielt die Luft an und wandte den Kopf zur Seite, ohne genau zu wissen, aus welcher Richtung Alina etwas bemerkt haben wollte, und hörte . nichts. »Es klingt wie eine Spraydose«, flüsterte sie. Auch TomTom hatte seine sonst eher schlaff herunterhängenden Ohren gespitzt und lief dicht an Alinas Seite zum Kopfende des Zimmers und damit tiefer in die Dunkelheit hinein.
    Wieder einmal war ich über Alinas Selbstsicherheit verblüfft, mit der sie sich auf ungewohntem Terrain vorantastete.
    Vielleicht werden wir furchtloser, wenn wir die Gefahren, die die Welt für uns bereithält, nicht sehen können?, dachte ich. Womöglich bestand darin ja der einzige Segen ihrer Behinderung. Was wir nicht wissen, sorgt uns nicht. Und was wir nicht sehen, gibt es nicht?
    Das Wohnzimmer war mit Parkett oder schlecht verfugtem Laminat ausgelegt, dem Alinas Stiefel ein sanftes Quietschen entlockten. Ich folgte ihr jetzt auch mehr nach dem Gehör als mit den Augen. Ich stolperte über etwas, was zu tief für einen Tisch und zu schwer für eine Blumenvase war, Kunst vermutlich: eine kleine Skulptur oder eine dieser hässlichen Hundefiguren aus Porzellan, die mit offenem Mund den Staub in den Wohnungen der Reichen fangen. Dann sah ich den matten Lichtfinger, der rechts von mir den Weg aus dem Wohnzimmer in einen angrenzenden Flur wies.
    Himmel, mein Orientierungssinn war ohnehin schon nicht der beste, ich war in der Lage, mich auf einem leeren Parkdeck zu verlaufen, und jetzt das!
    Das indirekte gelbliche Licht rührte vom anderen Ende des Flurs, wie ich feststellte, als ich aus dem schwarzen Loch hinter mir getreten war. Meine Pupillen waren sicher so groß wie Münzen, und daher kam mir die matt glimmende Nachtlampe in der Fußleiste dort hinten wie ein Halogenstrahler vor.
    Ich musste an Charlie denken, und mein Magen meldete sich zurück.
    Charlie. Die verrückte, sexhungrige, offenherzige, wilde, die ermordete Charlie. Abgeschlachtet von dem Wahnsinnigen, der mich dazu auserkoren hatte, eine willenlose Figur in seinem Spiel zu sein und ihre Kinder zu finden. Dort, wo wir uns getroffen hatten, im »Triebhaus«, hatte es auch einen Darkroom gegeben, einen von jeglichen Lichtquellen befreiten Raum mit Latexmatratzen, in denen wildfremde Menschen übereinander herfallen konnten. Anonymer Sex mit Unsichtbaren. Eine Variante des Lustgewinns, die sich mir nie erschlossen hatte, im Unterschied zu Charlie, die so verzweifelt gewesen war, dass sie alles im Leben ausprobieren wollte.
    Einmal war ich ihr gefolgt, hatte den Raum aber postwendend wieder verlassen, als ich fremde Hände auf meinem Körper spürte, denen ich noch nicht einmal ein Geschlecht zuordnen konnte. Und das, obwohl in dem Darkroom nie vollständige Dunkelheit herrschte, denn sobald jemand den schweren Filzvorhang an der Eingangsluke zur Seite nahm, warf sich eine Handvoll müder Photonen über die verschlungenen Leiber und erzeugte eine ebenso vage Erinnerung an Tageslicht wie in diesem Augenblick die Nachtlampe in der Wandsteckdose, direkt zu Alinas Füßen.
    Sie war bereits am Ende des Ganges, unmittelbar vor einer schweren metallenen Brandschutztür, die einen Spalt offen stand. TomTom hatte sich direkt vor sie gestellt, den wuscheligen Körper an ihre Beine gepresst, und hinderte sie am Weitergehen.
    »Warte«, sagte ich und schloss zu ihr auf. Schnell erkannte ich, dass der Retriever einen guten Grund hatte, sich seinem Frauchen in den Weg zu stellen, denn hinter der Tür fiel eine Treppe steil ab in den Keller des Bungalows. »Hörst du das?«, flüsterte Alina, und zum ersten Mal konnte ich auch in ihrer Stimme einen Anflug von Furcht ausmachen. »Ja!«
    Ich hörte es nicht nur. Ich roch es auch. Das gleichmäßige Zischen der Spraydose war lauter, der Duft des Todespar-fums intensiver geworden.
    »TomTom wittert eine Gefahr«, sagte

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