Der Aurora Effekt
das sich als ausgewachsener Braunbär entpuppte, der sich offensichtlich die falsche Stelle für eine gemütliche Rast ausgesucht hatte. Instinktiv stieg Winter sofort in die Bremse, die natürlich nicht reagierte. Viel zu langsam setzt sich der Bär, aufgeschreckt vom Fahrzeuggeräusch und dem hell blendenden Lichtkegel, in Bewegung und trottete von der Straße. Verzweifelt lenkte Winter viel zu stark gegen und brachte den Wagen in ein unkontrolliertes Schlingern. Angelique schrie auf, als der Geländewagen in der Linkskurve über den rechten Fahrbahnrand rutschte und zur Beifahrerseite herüberkippte. Winter spürte, wie die Räder sich unter ihm von der Strasse lösten und er ruckartig hochgeschleudert wurde. Den darauf folgenden Überschlag, der den Wagen über die Fahrbahn hinaus in einen seitlichen Graben beförderte, wo er auf dem Dach liegen blieb, empfand er seltsamerweise sehr sanft und geräuschlos. Erst als er einige Sekunden kopfüber auf seinem Sitz in dem Sicherheitsgurt hing, konnte er seine Umwelt wieder wahrnehmen und bemerkte als erstes die eisige Kälte, die sich plötzlich im Fahrzeuginneren breit machte, die Windschutzscheibe war zerschlagen. Ansonsten war es still, sehr still. Die auf Standlicht umgesprungenen Scheinwerfer des Geländewagens spendeten wenigstens noch etwas Licht im sonst noch ziemlich dunklen Wageninneren. Angelique? Was war mit Angelique? Panik stieg schlagartig in Winter auf, als er versuchte, sich nach ihr umzudrehen. Mit Blut überströmtem Gesicht hing Angelique regungslos in ihrem Gurt auf dem Beifahrersitz. Winter schoss das Adrenalin in den Körper und er schrie sie an und tätschelte ihr Gesicht. »Angelique, alles O.K. bei dir? Oh Gott, Angelique, so sag doch etwas.« Immer wieder rüttelte er Angelique. »Nein, Angelique das darfst du jetzt nicht machen. Doch nicht so was. Verdammt.« Tränen schossen ihm ins Gesicht. Verzweifelt versuchte Winter, seinen Gurt zu öffnen, scheiterte jedoch zunächst bei der Bemühung.
Angelique bewegte sich immer noch nicht. Winters Bewegungen wurden immer hektischer und blanke Wut stieg in ihm auf. »Du verdammter Bär, was musst du auch gerade jetzt auf meiner Straße stehen, hä? In was für einer Scheiße stecken wir hier überhaupt?«, schrie er mehr zu sich selbst. »Verdammt, verdammt, verdammt. Dieser verflixte Gurt.« Winter war schweißgebadet, als er es endlich schaffte, den Sicherheitsgurt zu lösen und er unsanft kopfüber auf das Wagendach prallte. Sofort war Winter bei Angelique und öffnete ebenfalls ihren Gurt, dabei ging er sehr vorsichtig vor, damit Angelique nicht ohnmächtig auf das Wagendach prallte. Schützend hielt er seine Hand über ihren Kopf und zog sie seitlich zu sich herüber, als er den Gurt endlich gelöst hatte.
Da beide Türen von außen verkeilt waren, Winter konnte in der Dunkelheit nicht erkennen wodurch, versuchte er es durch die Windschutzscheibe. Mit seinem Fuß trat er gegen die Reste der zersplitterten Scheibe und schaffte es mit einem Kraftakt, Angelique hinter sich aus dem Fahrzeug zu ziehen. Er hoffte, dass der Bär sich aufgeschreckt durch die Störung verzogen hatte und nicht noch einmal wiederkehren würde. Im Fahrzeuginneren konnten sie jedoch auf keinen Fall auf Dauer bleiben. Decken, schoss es ihm durch den Kopf. Er brauchte unbedingt eine Decke oder irgendetwas, um Angelique warmzuhalten. Nachdem er Angelique vorsichtig vom Fahrzeug weggezogen und an einen nahe liegenden Baum angelehnt hatte, der sich noch im Lichtkegel des Range Rovers befand, untersuchte Winter rasch Ihr mitgenommenes Gepäck. Bis auf eine weitere Schneejacke, immerhin etwas, fand er leider keine nützlichen Utensilien, die ihm jetzt weiterhelfen würden. Kein Campingkocher, keine Decken, kein irgendetwas. Hätten sie sich nur besser vorbereitet, ärgerte er sich plötzlich über sich selbst. Sein Mobiltelefon war auch nutzlos in dieser Einöde, noch weitab von Anchorage war an Empfang nicht zu denken. Wo befanden sie sich überhaupt? Später, Winter durchsuchte den Kofferraum, der sich zum Glück noch problemlos öffnen ließ, fand er dort noch zwei Flaschen Wasser. Immerhin ein Anfang. Rasch stapfte er durch den Schnee zu Angelique zurück und hing ihr vorsichtig die Schneejacke über, danach säuberte er Ihr mit dem Wasser vorsichtig das Gesicht. Eine Platzwunde befand sich auf Ihrer Stirn, die aber bereits aufgehört hatte zu bluten. Vorsichtig kniff Winter Angelique in ihre Wangen. »Angelique, kannst du
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