Der Aurora Effekt
Dämmerung ein und ein frischer Wind blies durch Anchorage. Arm in Arm saßen Angelique und Winter noch immer auf dem Schreibtisch und blickten aus dem Fenster. Ein herrliches Panorama, wie die Strahlen der untergehenden Sonne die Gipfel des mächtigen schneebedeckten Gebirgsmassivs in der Ferne streiften, um kurze Zeit später dahinter ganz zu verschwinden.
»Warum hat Frank dir dieses Video zugespielt?«, fragte Angelique in die Stille hinein.
»Ich weiß es nicht, ich habe es mir dutzende Male angesehen, kann mir aber keinen Reim darauf machen. Was sollte das HAARP-Projekt mit dem Irakkrieg zu tun haben?« Winter stützte sich auf dem Schreibtisch nach hinten ab und ließ die Beine pendeln. »Es sieht jedoch ganz so aus, als ob er genau für dieses Video sterben musste.«
»Wir müssen irgendetwas Wichtiges übersehen haben«, sagte Angelique und sah gerade auf der Strasse einem vorbeieilenden Krankenwagen hinterher, der am Hotel vorbeifuhr und langsam mit leiser werdendem Sirenengeräusch wieder mit der Dunkelheit verschmolz.
»Nur was?« Winter spulte die Ereignisse der letzten Tage noch einmal in Gedanken ab und versuchte, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Das gesunkene Kreuzfahrtschiff, das angeblich von einer Monsterwelle versenkt wurde, die es gar nicht gab. Das seltsame Video, weswegen Frank sterben musste. Narbengesicht. Die künstlich erzeugten Polarlichter der HAARP-Anlage und nicht zuletzt die Erkenntnisse, die sie bei Heschenbach erlangt hatten. Wie passte all dies zusammen? In Gedanken versunken starrte er auf das Lichtermeer von Anchorage.
Diese Monsterwelle, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Laut Angelique hatte es diese Welle offensichtlich nie gegeben und das Kreuzfahrtschiff war trotzdem definitiv verschollen, wahrscheinlich gesunken. Wieso? Gab es vielleicht ganz andere Gründe für das Versinken des Schiffes, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten? War es vielleicht gar kein Unglück, sondern wurde das Schiff wohlmöglich mutwillig versenkt? Winters Puls beschleunigte sich, angesichts dieser Überlegungen.
Angelique hörte atemlos zu, als Winter ihm davon erzählte. »Du meinst, jemand hat das Kreuzfahrtschiff absichtlich versenkt, um irgendetwas zu vertuschen?«
»Ich glaube, das wäre eine Möglichkeit, die vieles erklären würde!« Winter schnitt eine angeekelte Grimasse. »Unter anderem auch Narbengesichts penetrante Art, uns aus der Welt zu schaffen. Immerhin haben wir herausgefunden, dass es diese Welle nicht gegeben hat.«
»Du könntest in der Tat Recht haben Mark, aber warum zur Hölle sollte jemand so etwas tun?«
Winter überlegte. Warum sollte jemand Tausende Menschen töten, nur um etwas zu vertuschen? Oder waren diese Menschen vielleicht schon tot, bevor das Kreuzfahrtschiff gesunken war oder besser gesagt, bevor es versenkt wurde? Winter begann angesichts der Tragweite dieses Gedankens zu frösteln.
»Ich glaube, der Schlüssel zu allem liegt bei diesem Eric Fynn auf Sealand«, sagte Angelique plötzlich und Winter musste sofort an das Foto mit Isabel und Fynn denken. Wie vertraut die zwei doch auf diesem Foto wirkten. Wieso um alles in der Welt sollten Isabel und dieser Fynn gemeinsame Sache machen? »Ich glaube, du hast Recht«, begann Winter nach kurzem Schweigen. »Würdest du mit mir dorthin mitkommen?«
Angelique drehte sich zu Winter herüber und lächelte ihn an. »Mit ihnen, Herr Winter, komme ich bis ans Ende der Welt. Hauptsache, ich darf in ihrer Nähe sein.«
Am nächsten Morgen erwartete sie der Polizist mit den traurigen Augen, die er wieder hinter seiner Spiegelbrille verbarg, vor dem Eingang des Sheraton.
»Frau Brockhaus, Herr Winter. Ich habe den Auftrag, sie heute zum Flughafen zu begleiten und ihre Abreise zu überwachen.«
Angelique und Winter schauten sich verwirrt an. Ihre Abreise? »Unser Rückflug geht doch erst in zwei Tagen«, antwortete Winter mit fester Stimme. »Warum wollen sie uns dann heute schon zum Flughafen geleiten?«
Der Polizist atmete schwer aus, sichtlich genervt von diesen störrischen Deutschen und schob seine Brille auf die Nase, um sie mit seinen Augen zu taxiere. »Herr Winter, glauben sie mir, zu ihrer eigenen Sicherheit ist es besser, wenn sie schon heute abreisen. Es gibt da eine ganze Menge von Leuten, denen sie mächtig ans Bein gepinkelt haben, wenn ich das mal so sagen darf. Also gehen sie bitte jetzt ruhig auf ihr Zimmer zurück, packen ihre Sachen und kommen in fünfzehn Minuten hierhin
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