Der Aurora Effekt
verbarg? Er schaute auf die graue Tischplatte, auf der ein Pappbecher mit Kaffee vor ihm stand, bevor er auf die gleichen Fragen erneut versuchte, ruhig zu antworten. »Nein, wir waren nur für eine Nacht dort, weil wir einen Autounfall hatten und haben nichts auffälliges bemerkt.« Wohlweißlich verschwieg er Narbengesicht, keine Ahnung, welche Kontakte er zur hiesigen Polizei haben musste, wenn er schon in Deutschland Drähte zur Küstenwache hatte. Überhaupt kam Winter das Szenario in diesem Raum seltsam bekannt vor, fast so wie in der Agentur, als er von Isabels Verschwinden informiert wurde. Er konnte Narbengesichts grimmige Blicke förmlich spüren und zuckte bei dem Gedanken innerlich zusammen.
»Herr Winter, so kommen wir doch nicht weiter. Sie waren nur kurze Zeit vor der Explosion in der Lodge und wollen uns hier erzählen, dass sie von all dem nichts mitbekommen haben? Man fesselt doch nicht einfach so die Verwalterin einer Lodge und sprengt den ganzen Laden dann noch in die Luft. Haben sie nicht doch irgendetwas auffälliges bemerkt?«, fragte einer der Beamten jetzt mit etwas lauter werdender Stimme und schnäuzte sich danach die Nase. »Jetzt denken sie doch bitte noch mal scharf nach. Oder sollen wir sie vielleicht eine Nacht bei uns logieren lassen, damit ihnen doch noch was einfällt?«
Winter war entrüstet. »Sie können nicht einfach einen deutschen Staatsbürger ohne irgendwelche Anhaltspunkte einsperren, nur weil wir zufällig in einer Unterkunft übernachtet haben, die tags darauf explodiert. Dazu entbehrt es doch jeder Grundlage.« Seine Stimme bebte, was sollte denn das jetzt. Winter hatte plötzlich wieder diese Panik, Panik, dass Narbengesicht auftaucht. Warum wurden sie überhaupt in verschiedenen Zimmern verhört. Er wollte sofort zu Angelique.
»Ich verlange von Ihnen, dass man uns sofort gehen lässt, wieso befragen sie uns überhaupt getrennt?«, hakte er daher gleich nach.
»Herr Winter, wie lange kennen sie Angelique Brockhaus schon?«, fragte der andere Beamte, der sich gerade einen genüsslichen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher gegönnt hatte.
Was sollte denn jetzt diese Frage? Winter starrte den Beamten nur an.
»Herr Winter, ich habe ihnen eine klare Frage gestellt.«
»Wieso ist das jetzt wichtig?«, fragte Winter.
»Na ja, es ist in sofern wichtig, als dass ihre reizvolle Begleitung eine gewisse Vergangenheit hat und wir Frau Brockhaus schon seit längerem unter unserer Beobachtung haben.«
Winter war sprachlos und die Lichtreflexe der Neonröhre begannen, sich vor seiner Pupille zu verwischen. »Was meinen sie mit einer gewissen Vergangenheit?«, flüsterte Winter atemlos.
»Beantworten sie mir doch zunächst einfach nur die Frage, seit wann kennen sie Angelique Brockhaus.«
Winter erschrak über die Antwort, die er sich selbst in seinem Kopf gab. Er kannte Angelique erst ein paar Tage und doch schon ein Leben lang. Er spürte plötzlich in jeder Faser seines Körpers ein Kribbeln, das ihm neue Kraft verlieh. Eine unbändige Kraft, die er so noch nie gespürt hatte und die alles andere verdrängte. Er bäumte sich auf und lehnte sich ein Stück weit über den Tisch und blickte dem Beamten, der die Frage gestellt hatte, direkt in die Augen. »Ich verlange sofort von ihnen, dass sie mich zu Angelique bringen. Ich verlange außerdem, dass sie uns umgehend gehen lassen.« Winter erhob die Stimme. »Und außerdem verlange ich, dass wir umgehend mit einem Vertreter der deutschen Botschaft sprechen dürfen. Ich werden ihnen vorher keine weiteren Fragen beantworten.«
Die Beamten blickten sich einen Moment irritiert an. »Herr Winter, es ist ein Verbrechen verübt worden und wir bitten sie, mit uns bei der Aufklärung zu kooperieren.«
»Aber was haben Angelique und ich damit zu tun?«, stieß Winter aus, der anfing zu zittern.
»Herr Winter, sie haben uns ja leider noch nicht die Frage beantwortet, wie lange sie Frau Brockhaus schon kennen. Wenn ich Ihren Auftritt hier aber mal vorsichtig beurteilen darf, würde ich mal sagen, das sie sich noch nicht so lange kennen.«
Was sollte diese Geheimniskrämerei um Angelique, fragte Winter sich und sein Magen krampfte sich zusammen.
»Ich habe Angelique vor wenigen Tagen beim DLR das erste mal getroffen. Reicht ihnen das als Antwort?«
Zufrieden lehnte sich der Beamte, der links vor Winter saß, zurück. »Na, es geht doch, Herr Winter. Wir haben selbstverständlich Erkundigungen über sie eingezogen, auch wenn das um
Weitere Kostenlose Bücher