Der Ausflug
jetzt noch aus dem Tief heraushelfen. Er musste weg, bevor sie ihm etwas anmerkte und dachte, es liege an ihr. Schnell trank er seinen Kaffee aus. »Ich werde mal sehen, ob Toby und Niels schon auf den Beinen sind.«
»Bestimmt schon längst. Um wieder mit den Mädchen Menschenfresser zu spielen. An so einem schönen Tag wie heute sowieso.«
»Menschenfresser?«
»Ja, Marleen sagte, dass es so heißt.«
»Wie geht das denn?«
Sie zog die Schultern hoch. »Das kapieren wir doch sowieso nicht, Laurens. Dafür braucht man Fantasie.« Sie sprach das Wort mit einer gewissen Ehrfurcht aus.
»Menschenfresser«, wiederholte er, bestürzt. Sollte man nun darüber lachen, oder musste man sich Sorgen machen? Mein Gott, diese Wankelmütigkeit neuerdings, diese Zweifel bei allem und nichts, dieses Aufbauschen jeder Unsicherheitheraus. Jungs, Papa muss mal eben ernsthaft mit euch reden. Erklärt mir mal, was ihr hier den ganzen Tag treibt, nur so, sicherheitshalber... ihr seid schließlich die Einzigen, die ich noch habe.
Die würden sich bedanken! Wenn man anfing, bei seinen Kindern Halt zu suchen, war man wirklich der letzte Arsch.
Sie waren gestern Abend auf sein Rufen hin gehorsam angetrottet gekommen, und er hatte Toby auf seine Schultern genommen und Niels bei der Hand gefasst. Dabei hatte er dessen glattes Haar an seinem nackten Arm gespürt. Die beiden hatten vor allem erleichtert gewirkt, dass sie endlich ins Bett abgeführt wurden. Sie waren hundemüde gewesen, aber sie übertrieben es hier immer ein bisschen, weil sie sich gegen die Engel behaupten mussten und gegen das ganze unbegreifliche Mädchengehabe. »Weiber«, sagte Niels seit kurzem mit dem ganzen Abscheu eines Siebenjährigen, wobei er die Oberlippe schief hochzog und die Nase rümpfte.
»Na komm«, sagte Bobbie, »ich schenk dir noch mal nach. Auf einem Bein kannst du nicht stehen.«
Beatrijs war in ungewöhnlich entschlossener Stimmung aufgewacht. Dieser Tag hatte ein Ziel , das war an allem zu spüren. Es gab Morgen, genau genommen waren es die meisten, an denen man bloß dachte: Mal sehen, was der Tag bringt, ich lass mich treiben. Aber hin und wieder mal war es doch anders, und man wusste gleich beim Aufwachen, dass man just gegen den Strom schwimmen musste, um etwas zustande zu bringen. Wie mit einem Gravierstichel ins Hirn geritzt hieß es dann unumgänglich: zehn Pfund abzunehmen oder jemandem die Wahrheit sagen, na ja, eben lauter Sachen, die man normalerweise nicht schaffte.
Mucksmäuschenstill, um Leander nicht zu wecken, stieg sie aus dem Bett und huschte in die Duschkabine.
Sie waren mit Yaja zusammen in dem alten Tagelöhnerhäuschen hinten auf dem Grundstück untergebracht. Auf ihre sorglose Art hatten Gwen und Timo es für Ferienaufenthalte nutzbar gemacht: Es waren einfache sanitäre Einrichtungen angebracht worden und eine Ikea-Miniküche mit je vier Exemplaren von allem: vier Gläser, vier Teller, vier Löffel, vier Eierbecher. Meistens gelang es den beiden sogar, das Häuschen zu vermieten. Die Lage war ja auch ideal: Jeder, der die Pieterpad-Wanderung machte, kam direkt daran vorüber und ließ sich leicht zu dem Entschluss verleiten, später noch mal für eine Woche zu diesem idyllischen Flecken zurückzukehren.
Frank hatte jeden Sommer gesagt, dass sie Gwen und Timo ihren Aufenthalt hier vergüten müssten. Und dann hatte sie mit abgewandtem Gesicht entgegnet, dass sie das Geld längst überwiesen habe. Er hatte das gewiss lieb gemeint, aber irgendwie war es auch so schrecklich daneben gewesen. Geld durfte in einer Freundschaft doch keine Rolle spielen. Man brachte besser ein paar Kartons Wein mit, und man sorgte natürlich dafür, dass man mit Gwen oder Timo zusammen in den Supermarkt ging, damit man an der Kasse blitzschnell das Portemonnaie zücken konnte: Das war um einiges weniger herablassend, als Geld zu überweisen. Armer Frank.
Es störte sie, dass sie an ihn dachte. Sie drehte die Dusche auf und versuchte, ihre zielgerichtete Stimmung wieder zu beleben. Sie wollte Gwen heute mal so richtig verwöhnen, um ihr zu zeigen, was ihr ihre Freundschaft bedeutete. Die hatte sie in den vergangenen Monaten, seit sie Leander kannte, ein bisschen schleifen lassen. Nicht einmal Babettes Geburt hatte sie wirklich Beachtung geschenkt. Aber das hatte Gwen hoffentlich auf die ihr eigene gutmütige Art ausgelegt und es schon im Vorhinein entschuldigt.
Nach ihrer ersten Fehlgeburt hatte Gwen gesagt: »Zuerstrichtig ausweinen, Bea,
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