Der Ausflug
trocken.
Vor Schreck hätte sie beinahe einen kleinen Satz gemacht.
Er stand genauso in der Türöffnung wie eben noch Laurens. Ein Blick genügte, und ihr war klar, dass er den Kuss und das Spielchen mit der Feder gesehen hatte. Sie fühlte sich unwillkürlich versucht, den Gürtel ihres Morgenmantels enger zu ziehen. Zu alledem war sie noch nicht mal richtig angezogen. »Schatz! Wir sprachen gerade von...«
»Ich freue mich, dich hier bei guter Gesundheit anzutreffen«, sagte ihr Geliebter ruhig. »Genauso gut hättest du gerade in tausend Nöten sein können, Beatrijs.« Er drehte sich um und ging in den Garten hinaus.
»Bei guter Gesundheit?«, fragte Laurens erstaunt. »Fehlt dir denn irgendwas?«
Sie hatte jetzt, genau genommen, zwei Dinge zu tun: ihm eine gehörige Ohrfeige verpassen und dann hinter Leander herlaufen. Doch sie blieb stehen, wo sie war, hilflos, erschrocken über den unnötigen Kummer, den sie verursacht hatte, und besorgt, was das nun wieder nach sich ziehen würde. Aus dem Backofen roch es verbrannt.
Gwen rollte sich ermattet von Timo herunter. Das linke Bein, das sich im Laken verfangen hatte, ließ sie über seiner Hüfte liegen. Sie wartete, dass sich ihre Atmung sich wieder normalisierte und der Schweiß auf ihrer Haut zu trocknen begann.
Timo fasste sie beim Fußgelenk und lachte leise.
»Was denn?«
»Nichts, Maus.«
Gwen dachte: Zu Haus heiß ich Maus. Sie unterdrückte ein Schmunzeln. »Jetzt sag schon.«
»Ich sah plötzlich vor mir, dass einer deiner Freunde hereingestürmt käme, um uns ein Sonntagsfrühstück ans Bett zu bringen, während wir...«
»Einer meiner Freunde?«
»Ja, wer sonst?«
Sie stützte den Kopf in die Hand. »Tiem. Gefällt es dir nicht, dass sie hier sind?«
»Hauptsache, du genießt es.« Er ließ ihr Fußgelenk los, schob ihr Bein zur Seite und richtete sich auf. Das Bett wackelte kurz. Es hatte nur drei Beine, schon seit Jahren. Ein Stapel alter Telefonbücher ersetzte das vierte. »Der Tag ruft.«
»Der Anfang ist schon gemacht«, sagte sie.
»Und wie!« Er bückte sich, um ihr einen Kuss zu geben.
»Hör ich Babette? Hol sie mal eben, dann stille ich sie gleich.« Sie hatte ihre jüngste Tochter Victoria nennen wollen, ein Name wie eine Burg, ein Name mit einem sicherenGraben drum herum, aber diesmal hatte die Entscheidung bei Timo gelegen.
Sie döste noch ein wenig weiter, aber da Timo die Schlafzimmertür weit hatte aufstehen lassen, gelang es ihr nicht, noch einmal einzuschlafen. Aus dem Gästezimmer drangen die Stimmen von Laurens’ Jungen. Von unten kamen Geräusche, als ob jemand mit einem Rost aus dem Backofen kämpfte. Es war aber auch ein lästiger Herd, man wusste nie, was man tun musste, um ihn... Mit einem Mal hellwach, dachte sie: Vero, pass auf, verbrenn dir nicht die Hände! Wo kam bloß dieser aberwitzige Gedanke her? Veronica stand nicht in der Küche, sie war tot.
Auf der Treppe wurden Schritte laut. Schnell tauchte sie wieder unter die Decke.
»He, Gwen!«, sagte Laurens draußen auf dem Flur verlegen.
Es kam natürlich durch seine Anwesenheit im Haus, dass sie ihre Freundin plötzlich vor sich gesehen hatte, als wäre sie noch gesund und munter. Das passierte sonst nie, aber in seiner Nähe erwartete man sie noch immer jeden Augenblick. Nicht dass Veronica so eine folgsame, biedere Ehefrau gewesen wäre. Zu Lebzeiten jedenfalls nicht.
»Ich will mal nachsehen, ob die Jungen schon auf sind.« »Ja. Klar, die sind wach.«
»Schön, dann sag ich ihnen mal hallo.«
Sie richtete sich auf, das Betttuch vor die Brust geklemmt. »Laurens? Hör mal...« War es nicht so, dass ein plötzlicher Tod die Seele irreführen konnte? Das hatte sie doch mal irgendwo gelesen. Wusste Veronica überhaupt, dass sie tot war? Klammerte sie sich vielleicht über Laurens am Leben fest?
Abwartend lehnte er am Türrahmen.
Sie bekam es nicht über die Lippen. »Ich meine, ist mit dir alles okay?«
»Ja, ja, bestens. Ich fragte mich gerade, was ich heute mal mit Toby und Niels unternehmen könnte.«
»Lass sie sich doch einfach mit den Mädchen austoben. Sie denken sich zusammen die verrücktesten Spiele aus und sie...«
Er versteifte sich. »Ich möchte auch hin und wieder mal was als Familie unternehmen.«
Das hörte sich irgendwie nach einem Vorwand an. Eltern waren doch im Allgemeinen froh und glücklich, wenn sich die Kinder so gut miteinander beschäftigen konnten. »Ach, na dann. Geht doch rudern! Wenn du am Kanal entlang
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