Der Ausflug
bis zum Ortsende radelst, stößt du linker Hand auf diesen Bootsverleih, weißt du noch, von dem Mann, der so lispelt.«
»Das ist eine gute Idee. Tausend Dank, Gwen.« Er riss sich vom Türrahmen los und verschwand aus ihrem Blickfeld. Kurz darauf hörte sie ihn mit seinen Söhnen reden.
Sie dachte wieder an Veronica. O ja, sie würde eine spezielle Kerze für sie machen, gleich heute. Eine Kerze, die sie auf ihrem Weg ins Licht begleiten sollte. Es konnte nicht gut sein, wenn sie an ihrem irdischen Leben hängen blieb. Aber vielleicht kam das dadurch, dass sogar Tote so etwas wie Verlust kannten. Dass auch sie schmerzlich um das trauerten, was sie verloren hatten. Dass auch sie Zeit dafür brauchten, sich von ihren Lieben zu lösen. Es musste ja auch unerträglich sein, wenn man sich klarzumachen hatte, dass die Kinder ohne einen aufwachsen würden, dass der Mann eines Tages eine neue Frau küssen würde, dass alles immer weiter- und weiter- und weiterging, bis man vergessen war.
»Was sinnierst du denn vor dich hin?«, fragte Timo, als er ihr Babette in die Arme legte.
»Ach, nichts Besonderes.« Sie liebte ihn sehr, aber er war nicht der Typ Mann, dem man mit Reflexionen über ein Leben nach dem Tod kommen durfte. Kompost, sagte Timo, das sei alles, was von einem übrig bleibe.
Während er schnell in seine Kleider schlüpfte und nach unten ging, stillte sie Babette, die eine trockene Windel bekommen hatte und nun wieder allerbester Laune war. Es war unvorstellbar, aber auch dieses gerade erst begonnene kleine Leben würde unwiderruflich in Tod und Vergessen enden. Irgendwann würde Babette dort landen, wo Veronica jetzt schon war. Es hatte allerdings etwas Tröstliches, dass Vero sie dort erwarten würde, erfreut, das Baby endlich kennen zu lernen. Aber nein, was für ein morbider Gedanke. Babette würde ein verschrumpeltes altes Mütterchen sein, wenn Veronica schließlich die Arme nach ihr ausstrecken konnte, sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich.
Was waren das nur alles für trübe Gedanken über ihr Töchterchen? Das mussten die Hormone sein.
Auf einmal hatte sie es eilig, sich an den Entwurf von Veronicas Kerze zu machen. Sie ließ das Baby sein Bäuerchen machen und legte es in die Wiege. Dann duschte sie und ging nach unten. Im Wohnzimmer war niemand. Durch die Verandatür ging sie in den Garten hinaus.
Auf dem Rasen spielten die Engel mit viel Geschrei Federball. Yaja saß mit bösem Gesicht am Gartentisch und lackierte sich die Nägel schwarz. In der Ferne hörte man Timo auf dem Weg zur Bienenweide vor sich hinpfeifen. Es war wieder ein strahlend schöner Vormittag.
Über die Terrasse lief Gwen in die Küche. »Oh, hier seid ihr«, sagte sie zu Klaar und Karianne. Ihre Töchter, beide gleich blond und gleich schmuddlig, saßen nebeneinander auf der Arbeitsplatte und ließen die verschrammten Beine baumeln, während sie Butterbrote mit Nuss-Nougat-Creme von dem großen Stapel aßen, den Beatrijs emsig schmierte. Sie grinsten Gwen an, als sie sie sahen, aber sie waren zu sehr mit ihrem Frühstück beschäftigt, um ihr die Gunst ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit zu gewähren.
Fünf Jahre alt, und doch schon wieder so groß. So selbstständig und unabhängig. Obwohl das bei Zwillingen natürlich schnell ging.
»Du auch eine Schnitte?«, fragte Beatrijs.
»Ja, gern. Hast du gut geschlafen? He, aber was ist denn das für ein Geruch hier?«
»Ein misslungenes Experiment.«
Sie biss in die Schnitte, die Beatrijs ihr reichte. Sie fragte besser nicht weiter nach. Auf dem, was Beatrijs in der Küche ausheckte, ruhte selten Segen. In ihrer Beziehung zum Essen schwang irgendetwas Dunkles mit, das verhinderte, dass sich Zutaten an die Regeln hielten. Unter ihren Händen wurde Sahne spontan sauer, Pudding fiel in sich zusammen, sogar simple Hähnchenschlegel verwandelten sich in Gummiknüppel. Ein anderer hätte es schon hundertmal aufgegeben, aber Beatrijs hielt eisern durch. Mit ungebrochenem Enthusiasmus studierte sie Kochbücher und schnitt ehrgeizige Rezepte aus der Zeitung aus. Nicht unterzukriegen. Sie selbst brauchte einen Blumenkohl nur anzusehen, und er war schon gar. »Lass uns heute Nachmittag was Schönes unternehmen, ja?«, schlug sie vor.
Ihre Freundin hielt den Zipfel eines Geschirrhandtuchs unter den Wasserhahn und säuberte damit andächtig die Schokoladenmäulchen der Zwillinge.
»Ein Stück spazieren gehen«, drängte Gwen, »und dann in irgendein Café, wo man draußen sitzen
Weitere Kostenlose Bücher