Der Ausflug
neuen Nikes bekommst, oder?«
Auch aus Versehen könne man niemanden wegwünschen, hatte sein Vater gesagt. Doch was man seiner Meinung nach sehr wohl konnte, und das war das Verrückte, man konnte jemanden zurückwünschen. Es sei zwar nicht sicher, ob der Wunsch erhört werde, denn so sei das nun mal mit Wünschen,aber versuchen konnte man es auf alle Fälle. Vom Wegwünschen sei noch nie ein Mensch verschwunden, aber mit dem Zurückwünschen würden manchmal gute Resultate erzielt.
Feierlich dachte Niels, während er mit einem langen Schritt über eine große, dunkle Pfütze hinwegtrat: Komm zurück, Babette, komm zurück!
Das gab ihm ein gutes Gefühl, viel besser als mit dem Glas, von dem Papa gesagt hatte, dass das auch Schwindel sei, Yaja-Schwindel. Durch seinen noblen Wunsch kam er sich vor wie ein Ritter mit schwungvoller weißer Feder am Helm. Längst nicht jeder hatte einen Vater, der machen konnte, dass man auf einmal ein Ritter war. Eigentlich war es eine ziemliche Erleichterung, dass jetzt alles herausgekommen war.
Und wenn Babette nun dank ihm wirklich zurückkam!
Zu Hause zogen Toby und er ihre Stiefel aus und stellten sie unter die Garderobe. Es sah komisch aus, dass Mamas Mäntel nicht mehr da hingen. Aber wenn man tot war, brauchte man keine Kleider mehr. Auch das hatte Papa erklärt.
Papa war schon zu Hause: Niels hörte seine Stimme in der Küche. Vielleicht war der Rollmops wieder zu Besuch da. Plötzlich schämte er sich, dass er seine Tante so genannt hatte. Sie hatte ihm im Laufe der Jahre mindestens zwanzig Autos geschenkt. Sogar einmal einen Formel-1-Wagen, einen knallgelben Flitzer mit schnittigen Spoilern. Anstatt in die Küche hineinzupoltern, öffnete er die Tür ganz zaghaft.
»...also jetzt habe ich es dich oft genug gefragt!«, sagte sein Vater gerade. »Antworte mir, verdammt.« Er saß mit dem Rücken zur Tür am Tisch. Er war allein.
Niels fasste seinen Bruder bei der Hand. Erst wollte er schon wegrennen, aber dann blieb er doch stehen, auf Socken, denn was konnte schon sein, wovor man Angst haben musste?
Toby riss sich los. »Hallo, Papi!«
Zuerst schien ihr Vater nichts zu hören. Dann drehte er sichlangsam um. Sein Gesicht war schweißnass. Er sah sie an, als könne er sich nicht so recht erinnern, wer sie waren. »Hallo, Jungs«, sagte er schließlich und machte ein Lächeln nach.
Niels starrte auf das umgedrehte Glas, das auf dem Tisch stand. Seine Kehle wurde trocken vor Schreck. Es funktionierte also doch, denn warum sonst saß sein Vater hier und redete auf das Glas ein? Es würde mal wieder so sein, dass Babette ihm, weil er ein Erwachsener war, doch antwortete. Und dann war das Baby also doch tot, denn die Toten mussten antworten, und dann konnte niemand sie je wieder zurückwünschen. »Du hast doch selbst gesagt, dass das Schwindel ist!«, rief er aus.
»Was meinst du?«, fragte sein Vater. »Wovon sprichst du?« Er stand auf und stellte das Glas achtlos auf die Spüle.
Aber diese lässige Haltung war erst recht Schwindel, das sah Niels sofort. Er stob aus der Küche und rannte die Treppe hinauf. Auf niemanden konnte man sich verlassen, niemandem konnte man trauen. Wenn sie nicht starben, logen sie einen an. Und dann wollten sie noch, dass man immer höflich war und mit Messer und Gabel aß! In seinem Zimmer trat er das Lego- Fort um.
Draußen vor dem Fenster trudelten abgewehte Blätter in einem bunten Wirbel durch die Dämmerung. Der Wind war genauso wütend wie er. Er kletterte auf die Fensterbank und schaute hinaus. Aus dem Baum vor ihrem Haus donnerten Eicheln herunter, er konnte das laute Ticken hören, mit dem sie auf das Dach von Papas Auto fielen. Gut so.
»Niels!« Toby kam auf seinen kurzen Beinen ins Zimmer gerannt. »Wir gehen Pizza essen! Weil Ferien sind.«
»Und wer soll das bezahlen?«, fragte er barsch.
Tobys freudiges Gesicht bezog sich. »Na, Papa, oder?«
Bei dem Gedanken daran, was dieser dumme kleine Zwerg alles noch nicht verstand, fühlte sich Niels gleich doppelt soeinsam. »Wir brauchen auch noch neue Schlittschuhe! Nachher ist dafür kein Geld mehr übrig.«
Sein Bruder schob die Unterlippe vor. Unsicher zupfte er am Saum seines Pullovers. Schließlich sagte er: »Dann wünsch ich mir die Schlittschuhe von Sinterklaas.«
»Sinterklaas!«, äffte Niels ihn nach. »Den gibt es gar nicht, du Dummbatz!«
»Doch. Ich darf immer bei ihm auf den Schoß.«
Beinahe hätte Niels gehöhnt: Das ist doch Papa, du Blödmann, mit
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