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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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Veronica hätte das ganz anders angepackt, die hätte im Übrigen auch niemals ein Kleidungsstück von einer toten Freundin abgelehnt. Sie hätte die Strickjacke angenommen und in wohl gewählten Worten ihren aufrichtigen Dank ausgedrückt, sie hätte sie häufig und gern getragen, sie hätte sie sogar eigens angezogen, um bei einemeinsamen Herbstspaziergang ein wenig darin zu sinnieren und Erinnerungen an sich vorbeiziehen zu lassen.
    Beatrijs fasste sich an ihre glühenden Wangen. Sie versagte jämmerlich. Trauer brauchte Zeit , trauern bedeutete, sich Tag für Tag andächtig mit dem Geschehenen zu befassen, aber wo sollte sie diese Stunden für sich hernehmen? Und wie hätte sie mit einer Strickjacke nach Hause kommen können, die verriet, dass sie den Abend bei einem anderen Mann zugebracht hatte? Veronica hatte leicht reden gehabt mit einem Ehemann wie Laurens. Mit jemandem, dem es nicht das Geringste ausmachte , was seine Frau... Aber nein, genau gesehen stimmte das nicht, sonst wäre er niemals so ausgeflippt beziehungsweise hätte derart rot gesehen, wie Veronica es ausdrückte, was ja, wenn das sogar bei Laurens so war, im Grunde nur bewies, wie normal es war, dass ein Mann seine Frau ausschließlich für sich wollte.
    »Laurens hat angerufen?« Yaja nahm sich noch einen Keks. »Der ist cool, echt ’n Schnuffi, für sein Alter zumindest. Boah, guck dir mal ihren Kopf an! Die steht wohl auch auf ihn! Soll sie doch. Er ist schließlich zu haben.«
    In Beatrijs stieg wieder die alte Mordlust auf. Es war schon alles kompliziert genug.
    Leander warf ihr einen kurzen Blick zu. Dann sagte er zu Yaja: »Er behauptet, du hättest an dem Abend, als das Baby verschwunden ist, mit den Kindern irgendwelchen okkulten Nonsens betrieben. Das hat auf seinen Niels offenbar so viel Eindruck gemacht, dass er deine Künste seither regelmäßig nachmacht, und sein kleiner Bruder schaut dabei zu.«
    Yaja brach in brüllendes Gelächter aus. »Mann, sind das Schlaffnasen!«
    »Für dich sind diese Dinge vielleicht nichts als Scherze. Aber ich warne dich, es sind gefährliche Scherze. Du läufst damit Gefahr, Kräfte zu entfesseln, die du nicht beherrschst.
    Du tust nichts Geringeres, als ein Tor zum Jenseits aufzustoßen.«
    Das Mädchen zuckte die Achseln und spielte ungerührt mit seinem Haar.
    Beatrijs war ungeheuer neugierig, worauf Leander hinzielte, aber sie wollte sich jetzt um keinen Preis einmischen: Es kam nicht oft vor, dass er Yaja auf die Finger klopfte, und noch nie hatte sie erlebt, dass er so nah dran war, sie zu tadeln. Mach weiter. O bitte, mach weiter!«
    »Hatte er sonst noch was?« Yaja gähnte.
    Leander gab ein herablassendes Schnauben von sich. »Du kennst doch Laurens! Der ließ es sich natürlich nicht nehmen, mir auch noch Vorwürfe zu machen. Ich soll etwas zu Niels gesagt haben, woraufhin der Junge dachte, Babette sei durch sein Zutun verschwunden.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Beatrijs. Niels war ihr Liebling.
    »Ach, Göttin, strapazier deinen lieben Kopf nicht damit.« »Also bitte, ja! Wenn ihr jetzt auch noch rumsäuselt, mach ich die Fliege.« Yaja hatte sich schon halb erhoben.
    Hastig sagte Leander: »Lasst uns doch gemütlich Rommé spielen.«
    »Rommé? Ist das dein Ernst?«
    »Ja, ich hab schon alles bereitgelegt. Da. Auf dem Tisch.«
    Mit einem Ruck beugte Yaja sich vor. Ihre noch feuchten Haare schleiften fast über den Boden. »Das ist die totale Tyrannei! Du kannst doch nicht einfach was bereitlegen , ohne mich zu fragen, ey! Immer schön deinen Willen durchsetzen, darin bist du einsame Spitze! Kannst du mich nicht zur Abwechslung mal fragen, was ich will?«
    Leander verzog das Gesicht und verdrehte leicht die Augen. Hoffentlich drohte jetzt kein Migräneanfall. Bei dem Gedanken, sich schon wieder ein Wochenende lang allein mit Yajabeschäftigen zu müssen, während ihr Vater im abgedunkelten Schlafzimmer lag, verließ Beatrijs der Mut. Es war erst Freitagnachmittag.
    Er schaute auf seine Armbanduhr. »Entschuldigt, aber es ist gleich meine Zeit. Ich muss mich kurz auf Babette konzentrieren.«
    Sowie er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte sich Yaja zum ersten Mal direkt an Beatrijs. »Mann, ist das ein Schisser«, sagte sie, genüsslich und zufrieden. Dann erhob sie sich, ungewöhnlich beschwingt, als habe sie ihre Seele an diesen Worten gelabt, und fischte eine Zeitschrift aus ihrer Wochenendtasche, mit der sie sich wieder auf die Chaiselongue fläzte, wobei sie die Füße

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