Der Ausflug
in den Stiefeln über die Lehne baumeln ließ. Auf dem Umschlag des Blattes war ein gehörntes Wesen abgebildet, das Beatrijs mit satanischem Grinsen anstarrte, während es etwas unter seinen Hufen zermalmte, das sie sich lieber nicht allzu genau ansah.
Sie hätte selbst eine Tochter in diesem Alter haben können. Es hätten sogar drei sein können, doch keinem dieser Kinder war das Geschenk des Lebens vergönnt gewesen. Und hier saß Yaja, deren ganzes Dasein darum kreiste, alles abzulehnen, was atmete und lebte und der Mühe wert war, Yaja, die sich lieber der Finsternis als ihrem eigenen Vater zuwandte.
Und bei diesem Gedanken erhob sie sich sonderbar gelassen und räumte das Teegeschirr ab. Nachher würde sie Gwen anrufen, wie sie es jeden Tag um diese Zeit tat. Wenn ihre Freundin dafür ansprechbar war, würde sie zu ihr sagen: »Ich glaube, dass ich endlich weiß, warum ich Yaja immer am liebsten erwürgen würde.«
In der Küche spülte sie die Tassen gleich ab. Es war erstaunlich, in welch kurzer Zeit sie gelernt hatte, Freude an den simpelsten kleinen Arbeiten zu haben. Man musste allem, was man tat, seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, das wardas Geheimnis. In anderer Leute Wohnung, wo man nichts routinemäßig machen konnte, ging das fast wie von selbst.
Als sie die Küche wieder verließ, sah sie im dunklen Flur Leander aus seinem Arbeitszimmer kommen. Das Wissen, dass sie bald seine Frau sein würde, nicht nur seine über alle Maßen Geliebte, seine Angebetete, sein Ein und Alles, sondern ganz offiziell seine Ehefrau, ließ ihr Herz höher schlagen. Es würde ihn entspannen, da war sie sich sicher. Sowie sie vor den Augen der Welt die Seine war, einzig und allein die Seine, nichts als die Seine, würden seine Kopfschmerzattacken vorüber sein. Es rührte sie, dass ein so großer Geist so unsicher und bedürftig sein konnte. So kindlich. Sie kannte Seiten an ihm, die die Welt nie sah. Nur bei ihr konnte er er selbst sein.
Mit ungewöhnlich schwerfälligen, langsamen Schritten, die Hände an die Schläfen gedrückt, kam er auf sie zu. Rasch machte sie das Licht an.
Er blinzelte. Er war weiß wie die Wand. »Wir müssen Gwen anrufen«, stieß er hervor. »Und die Polizei informieren. Ich habe eine Ortsangabe erhalten.«
Mit Toby an der Hand lief Niels durch den Nieselregen nach Hause. Immer wieder trat er in das heruntergefallene Laub auf dem Gehweg. Er war niedergeschlagen. Heute hatten sie Herbstferien bekommen, und er wusste und hatte es seinem kleinen Bruder schon hundertmal gesagt: Sie würden nirgendwohin fahren.
Ihr Vater hatte sich die ganze Woche freigenommen. Nur gut, dass er seinen eigenen Betrieb habe, sagte er oft, sonst wäre alles noch viel schwieriger. Nur war jetzt, weil er weniger arbeitete und Mamas Gehalt auch nicht mehr da war, viel weniger Geld für Ausflüge da.
Niels fand das so traurig für seinen kleinen Bruder, dass er ihm unter einem Laternenpfahl einen kräftigen Schubs gab.
Er selbst war mit vier im Eurodisney gewesen. Das war für Toby nicht drin. Und wenn man erst mal fünf war, fiel man auf Goofy und Minniemaus nun wirklich nicht mehr rein.
Als sehe er das auch so, hockte Toby sich plärrend auf den Gehweg. Böse zerrte Niels ihn hoch und rückte seine Kapuze zurecht.
Es war übrigens schon komisch, wenn man plötzlich durchschaute, dass Goofy und Minniemaus nicht echt waren, sondern nur verkleidete Erwachsene, die ihre Stimmen verstellten. Papa sagte, das komme, weil es alle möglichen Arten von Echt gab. Wenn man zum Beispiel total im Spielen drin war, dachte man manchmal wirklich, dass man ein Cowboy sei oder ein Menschenfresser. Aber je älter man wurde, bei desto mehr Dingen, die man mal für echt gehalten hatte, entdeckte man, dass sie nichts als Schwindel waren. Zu denken, dass man ein Baby wegwünschen könne, sei auch Schwindel, hatte er gestern Abend gesagt.
Bei der Erinnerung daran, wie sein Vater ihn in Tobys Zimmer ertappt hatte, mit dem stummen Glas zwischen ihnen auf dem Tisch, bekam Niels wieder glühende Wangen. Sein Vater hatte sich seine Erklärung dazu aufmerksam angehört. Er war auch nicht böse geworden über die morphologischen Felder, sondern hatte nur gesagt: »Wenn Menschen so etwas mit ihren Gedanken könnten, würde jeden Tag in jeder Klasse, schwupps, der Lehrer verschwinden, meinst du nicht? Und ich selbst wäre dann bestimmt auch längst auf dem Mond. Denn da wünschst du mich doch bestimmt hin, wenn ich sage, dass du keine
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