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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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vereint. Warum kommst du so spät? Wo hast du so lange gesteckt? Was hast du getrieben? Und mit wem?
    »Tut mir Leid, es gab einen Riesenstau«, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen.
    »Scht. Sie ist gerade eingeschlafen.« Seine Hand beschrieb langsame Kreise auf Babettes Bäuchlein.
    Gwen dämpfte automatisch die Stimme. »War sie denn unruhig?«
    »Sie hat von hier bis Assen geplärrt vor Krämpfen.« »Hast du ihr Fencheltee gegeben?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie ist doch schon viel zu groß für Krämpfe? Hast du den Arzt...«
    »Der ist sogar noch hier gewesen, vor anderthalb Stunden. Fieber hat sie keins, etwas Ernstes kann es also nicht sein. Vielleicht haben wir zu früh ihre Ernährung umgestellt. Bananenbrei geht zwar meistens gut, aber in ihrem Fall offenbar nicht.«
    Es war also ihre Schuld. Sie hatte diese Fläschchennahrung so gehasst. Dass Babette gelernt hatte, an einem Gummischnuller zu nuckeln, verursachte ihr noch immer ein unbehagliches Gefühl, fast so etwas wie Ekel. Und jedes Mal war beim Füttern wieder dieselbe Frage aufgekommen: In wessen Armen hatte Babette zwei Monate lang am Schnuller genuckelt? Bei der Polizei sagten sie, dass Kinderräuber in den allermeisten Fällen verwirrte arme Teufel seien, die man im Grunde nur bedauern könne. »Sie können ihre Tat meistens selbst nicht erklären. Aus einem plötzlichen Impuls heraus nehmen sie irgendein Kind mit. Es war so ein hübsches Baby, sagen sie später, so ein Baby wollte ich schon immer gern haben. Es bringt einen kein Stück weiter, wirklich, das können Sie mir glauben.« Was sie meinten, war: Nichts über den Tathergangzu wissen war immer noch besser als die unbefriedigende Konfrontation mit so einem Wirrkopf. Was sie meinten, war: Lassen Sie es jetzt mal auf sich beruhen.
    »Kannst du ihr noch eben helfen durchzuschlafen? Ich bin völlig alle«, sagte Timo.
    »Dann aber schnell ins Bett mit dir.« Sie spürte, wie sein freier Arm um ihre Hüfte glitt, als sie ihm das Baby abnahm. Timo, der sich mit Fencheltee und Obstbrei auskannte, der sich auch bei vollen Windeln und Weinkrämpfen nicht verdrückte.
    Er streckte sich kurz, massierte seinen Nacken und kreiste mit den Armen. »Bobbie hat mich wegen Babette angerufen, als ich gerade beim Steuerberater war. Sie fühlt sich immer so verantwortlich.«
    Unwillkürlich dachte sie: Mit Bobbie allein würdest du bestimmt auch über die Runden kommen.

 
Sternchen
     
    Jeden Freitagnachmittag hatten sie Werken. Dann hätten sie genug gelernt, sagte Nicky immer.
    Heute machten sie aus festem schwarzem Karton einen Sternenhimmel. Zuerst mussten sie von der Tafel den Stern von Betlehem abzeichnen, mit wehendem Schweif darunter. Dann pieksten sie einen Haufen Löcher in den Karton. Danach knickten sie unten einen Streifen um, schnitten den ein paarmal ein und klebten den Rand im Halbkreis auf ein Stück Pappe. Wenn ihre Mama oder ihr Papa zu Hause ein Teelicht dahinter stellte, sagte Nicky, scheine die Flamme durch die Löcher, und es sehe genauso aus, als funkelten echte Sterne an ihrem Himmel.
    Niels malte seinen Stern von Betlehem silbern an und zog einen goldenen Rand darum. Mit Bleistift zeichnete er noch ein paar Wolken dazu. Erst als er nach langem Abwägen mit dem Ergebnis zufrieden war, wagte er, sie weiß auszumalen. Durch den dunklen Untergrund blieben sie ein bisschen grau und durchsichtig, genau wie echte Wolken.
    Jetzt hoffte er nur, dass sie zu Hause irgendwo Teelichter hatten. Manche Sachen waren nämlich neuerdings plötzlich nicht mehr da. Das wurde einem meistens erst bewusst, wenn es sie woanders sehr wohl gab. Eine Vase mit Blumen. Ein Kerzenständer mit einer Kerze darin. Schalen mit sorgfältig darauf angeordneten Keksen oder Pralinen. »Komm, leg sie erst malschön in eine Schale«, sagten die Mütter seiner Freunde, wenn die in einem Schrank eine Rolle Butterkekse gefunden hatten. Zum Glück sahen sie nicht, dass Papa, Toby und er ihre Kekse einfach aus der Packung aßen.
    Während er Klebstoff auf die Pappe strich, kam Nicky vorbei. Er hielt den Atem an. Dieses Geräusch von ihrem Rock: wusch, wusch. Sie blieb stehen. »Das wird großartig, Niels. Wie bist du denn nur wieder auf die Wolken gekommen?«
    Er schaute auf ihre Mitte, höher wagte er den Kopf nicht zu heben.
    »Bei dir scheinen die Sterne sogar durch die Wolken hindurch.«
    Er drückte die Daumen auf den Karton, während sie weiterging. Sie fand seinen Himmel schön. Sowie der Kleber trocken war,

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