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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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eine Kerze steht ganz schief!«
    »Was ist das eigentlich?«, fragte Niels zweifelnd.
    »Das hab ich mir nicht selbst ausgedacht«, beeilte sich Laurens zu sagen. »Es stand in der Margriet . Für ein besonderes vorweihnachtliches Ambiente. Hat mir irgendwie gefallen.«
    »Sieht wirklich schön aus, Pap. Aber ich werd mal eben einen Sternenhimmel für dich basteln. Das hab ich heute gelernt.«
    »Ich auch!«, rief Toby aus.
    »Quatschkopf. Das kriegst du in Gruppe eins noch gar nicht.«
    Laurens ging zum Kühlschrank, schenkte drei große Gläser Apfelsaft ein und stellte sie auf den Tisch. Durch den geschmückten Baum sah es fast so aus, als würde es ein Weihnachten werden wie alle vorhergehenden, und Veronica könnte jeden Moment hereinspaziert kommen. Vielleicht hätte er besser nichts unternehmen sollen.
    Niels hatte schon den Bastelkarton hervorgeholt und Papierherausgenommen. Er zeichnete Toby, der auf einem Stuhl kniete, einen großen Stern vor. Mit zusammengesteckten Köpfen machten sie sich ans Werk.
    Es war für Laurens eine ungewohnte Tageszeit, um in ihrem Beisein einfach mal still dazusitzen, statt ständig von Pontius zu Pilatus zu rennen und zwölf Dinge gleichzeitig regeln zu müssen. Eine gewisse Ruhe kam nun doch über ihn. Er trank seinen Saft. Er schaute auf seine Kinder und liebte sie. Er dachte: Im neuen Jahr gehe ich einfach jeden Tag um halb vier nach Hause, ich kann ja Arbeit mitnehmen, Offerten kann ich schließlich genauso gut hier auf dem Laptop schreiben. Nach den Ferien keine Nachmittagsbetreuung mehr für Toby und Niels. Einfach schön zu Hause sein, bei Papa, und ein bisschen faulenzen.
    Toby kratzte mit einem Bleistift über das Papier, während er sich bei jedem Strich mit Adleraugen die Kunst bei seinem größeren Bruder abguckte. Niels warf ihm von Zeit zu Zeit einen herablassenden Seitenblick zu, enthielt sich aber entsprechender Kommentare. Gut so, Niels. Friede auf Erden.
    Spekulatius, Pfeffernüsse, Marzipan: Das würde er alles noch besorgen.
    Niels sagte zu Toby: »Guck doch mal, die Wolken musst du ganz groß machen, da muss doch Mama draufpassen.«
    »Ach, der Himmel .« Toby kratzte weiter. Kurz darauf fragte er: »Wie lange bleibt sie eigentlich noch tot?«
    »Schwachkopf! Für immer natürlich!«
    »Pap! Papa! Niels sagt...«
    »Aber das weißt du doch, Toby! Tot ist für immer. Da hat Niels schon Recht.«
    »Muss sie dann für immer in der Kiste unter der Erde bleiben?«
    »Sarg heißt das«, verbesserte Niels. Ungerührt schraubte er ein Glas Plakafarbe auf.
    Über die runden Wangen des Kleinen begannen Tränen zu kullern. »Das will ich nicht, das will ich nicht!«
    »Komm mal eben zu Papa, Schatz.« Laurens streckte die Arme aus.
    »Stell dich nicht so an«, sagte Niels. »Du kannst doch noch ganz normal mit ihr reden! Sie hört dich ganz bestimmt.«
    Mit pochendem Herzen stand Laurens auf und nahm Toby auf den Arm. »Wieso, Niels? Redest du mit Mama? Was sagt sie denn?«
    »Ach, nichts Besonderes«, sagte Niels achselzuckend. »Das will ich auch!«, schluchzte Toby.
    Laurens war ratlos. Er dachte: Worauf bist du denn aus, Veronica, warum lässt du Niels nicht in Ruhe? Sag mir in Gottes Namen, was ich tun soll, um dem ein Ende zu machen. Räch dich an mir, aber gib Niels und Toby die Chance, mir zu vertrauen. Quäl unsere Kinder nicht mit einem Wissen, das ihnen das Leben vergällen wird. Erdrück sie nicht mit der Wahrheit.
    Mit Toby auf dem Arm trat er an die Arbeitsplatte, riss ein Stück Küchenpapier von der Rolle und ließ sein Söhnchen hineinschnäuzen. Er war zu allem bereit, um ihr Genugtuung zu verschaffen. Nur, wie sollte er ihr das je verdeutlichen? Sie stellte sich taub für alle seine Anrufungen. Sie stellte sich taub, was immer er auch versuchte.
    »Niels«, fragte er, ohne sich umzudrehen, »wie machst du das denn, wenn du mit Mama redest?«
    Es blieb einen Moment still. Dann antwortete Niels: »Aber du machst das doch auch! Ich hör’s doch oft genug.«
    Toby fasste ihn beim Kragen seines Oberhemds. Nach Luft schnappend, stieß er drohend hervor: »Ich weine weiter, Papa, ich weine noch ganz lange weiter.«
    »Dann tröste ich dich einfach so lange, bis alle Tränen auf sind.« Er biss kurz die Zähne zusammen. Und wer war für ihnda? Sollte er es wagen, sich noch einmal an Leander zu wenden? Er mochte sich kaum eingestehen, wie oft er sich jetzt schon an ihn gerichtet hatte, und das auch noch stets vergeblich. Beinahe jedes Mal wenn ihn die Panik

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