Der Ausflug
in Wirklichkeit geht es Timo um etwas ganz anderes.
Wer weiß, womöglich hatte sie ihn sogar selbst auf die Idee gebracht, als sie ihm erzählt hatte, dass Laurens neulich kurz vor der Sitzung wie ein blinder Passagier unter den übrigen Besuchern im Souterrain an der Gracht aufgetaucht war. Leander hatte ihm resolut die Tür gewiesen. Wer seine tote Frau nicht in Ruhe lassen könne, sagte er, sei bei ihm an der falschen Adresse. Aber Laurens hatte sich nicht so einfach wegschicken lassen. Es war offenbar fast zu Handgreiflichkeiten gekommen.
Das war das eine Mal gewesen, als sie auf dem Hinweg einen Platten gehabt und über eine Stunde auf den Pannendienst hatte warten müssen. Sonst hätte sie Laurens vielleicht noch beruhigen können.
Sie sammelte die letzten Babysachen zusammen und brachte das ganze Bündel ins Badezimmer, um es in die Waschmaschine zu stecken. Morgen würde er hier sein, um Timo bei der Buchhaltung zu helfen. Sie musste die Gelegenheit nutzen, um einmal ernsthaft unter vier Augen mit ihm zu reden. Er musste Veronica loslassen. Hoffentlich würde er auf sie hören, wenn sie sagte: Sie ist mit aller Macht dabei, wach zu werden. Sie versucht zu erwachen, und du hinderst sie daran. Das möchtest du doch nicht, oder?
Von unten rief Marleen: »Mam! Mama! Wo bleibst du denn, Mam?«
Sie zögerte kurz. Dann gab sie einem Impuls nach, zog sich aus, drehte die Brause auf und stellte sich, plötzlich obstinat, unter den Strahl. Sie ließ das warme Wasser alles fortspülen, jeden Gedanken an Menschen, die etwas von ihr wollten. Für Gott und die Welt da sein, es immer allen recht zu machen versuchen, sogar den Toten – sie hatte genug davon.
Obwohl im Haus kein Licht brannte, drückte Laurens wider besseres Wissen drei-, viermal auf den Klingelknopf. Er musste an sich halten, um nicht auch noch mit den Fäusten gegen die Tür zu hämmern: Vom Auto aus, das ganz in der Nähe geparkt war, konnten seine Jungen alles mit ansehen.
Hätte er seine Eingebung doch nur eine halbe Stunde früher gehabt. Angesichts der Uhrzeit war die Wahrscheinlichkeit groß, dass Leander schon zur Besuchsstunde im Krankenhaus unterwegs war. Während er die Straße entlangspähte und hoffte, doch noch irgendwo dessen hoch gewachsene Gestalt zu entdecken, fiel sein Blick auf ein kleines Lokal gegenüber. Da ließ sich doch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Er ging zum Auto und öffnete die Tür an Niels’ Seite. »Wollen wir ein leckeres Steak mit Pommes essen gehen?«
Mit besorgtem Stirnrunzeln blickte sein Sohn von der Schachtel Teelichter auf, die er auf dem Schoß hielt. »Essen wir denn nicht zu Hause?«
»Du hast doch mitbekommen, wie hart ich diese Woche gearbeitet habe, oder? Ich hab ’ne Menge Geld verdient!«
Kurz darauf saßen sie zu dritt an einem Tisch am Fenster. Das war zwar mit rotem Band in kleine Gevierte unterteilt, deren Ecken mit Kunstschnee besprüht waren, aber man konnte trotzdem gut nach draußen schauen. Theoretisch hatte er jetzt mindestens eine Stunde Zeit. Ihn überkam ein Gefühl, das sichschon fast als Wohlbehagen bezeichnen ließ. Hier saßen sie, schön geborgen und alle beieinander, in einer gemütlichen Gastwirtschaft, wo es auf der Theke eine staubige Grünpflanze mit Christbaumkugeln gab. Bei der etwas verschlafenen, aber gut gelaunten Serviererin, die an ihren Tisch kam, bestellte er Bier und Cola und dreimal Steak, Pommes und Apfelmus.
»Weißt du, wie man am besten einen Hasen fängt, Papa?«, fragte Toby.
Ein lebendiges Schmusetier für seinen Kleinen: gute Idee. »Weißt du was? Morgen sind wir doch bei Timo. Da in der Gegend gibt es bestimmt irgendwo Hasen zu kaufen.« O ja, sie würden zusammen einen Stall im Garten zimmern, dazu hatte er jetzt schon Lust, einen Stall mit Auslauf.
Hinter vorgehaltener Hand soufflierte Niels: »Es ist ein Rätsel.«
Tobys Augen blitzten. »Man setzt sich hinter einen Baum und macht das Geräusch einer Möhre nach!« Er bog sich vor Lachen.
Mit einer Überheblichkeit, als sei er der Meister aller Klassen, sagte Niels: »Was ist das? Es ist rot und liegt am Strand.« Er machte eine effektvolle Pause und prustete dann: »Wisst ihr’s wirklich nicht? Rotkräbbchen!«
Toby kriegte sich fast nicht mehr ein.
»Was ist grün und klopft an die Küchentür? Ein Klopfsalat.«
»Nicht so schnell, so kann ich sie mir nicht merken«, sagte Laurens lachend. Er nahm einen Schluck Bier.
»Warum trinken Mäuse keinen Alkohol? Weil sie Angst
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