Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
Vom Netzwerk:
gleiten.   Du hast keine Wahl. Es ist deine einzige Chance.
    Ein letzter Blick auf Jenn. Er wollte ihr zuzwinkern, ihr irgendein Zeichen geben, doch das Risiko war zu groß. Deshalb konnte er nur hoffen, dass sie genau zugehört hatte, dass sie registriert hatte, wie er von dem   ganzen   Geld gesprochen hatte. Er hatte den größten Bluff seines Lebens gewagt, und womöglich hatte seine Partnerin gar nicht aufgepasst. Vielleicht misstraute sie ihm auch viel zu sehr, um zu erkennen, dass er etwas im Schilde führte.
    Egal. Er hatte bereits alles auf eine Karte gesetzt. Jetzt musste er sie ausspielen, ob er wollte oder nicht.
    »Du kommst mit, Schätzchen.«
    Scheiße.   Damit konnte er das günstigste Szenario bereits abschreiben. Er hatte gehofft, der Fremde würde Jenn auf dem Sofa sitzen lassen, dass er sich darauf konzentrieren würde, ihn im Auge zu behalten. Ja, selbst wenn er sie gefesselt hätte, was deutlich wahrscheinlicher war, hätten sie besser dagestanden als jetzt. Allmählich dämmerte ihm, wie löchrig sein Plan war. Doch er hatte keine Zeit gehabt, sich etwas Schlaueres auszudenken, er hatte etwas aus dem Ärmel schütteln müssen. Sollte es ihm gelingen, den Typen abzulenken, könnte Jenn abhauen – weiter reichten seine Überlegungen nicht. Und trotzdem hatten sie damit bessere Chancen als mit einer sieben Zentimeter langen Nagelschere.
    Aber jetzt? Jetzt hatten sie verloren. Er hatte es vermasselt.
    »Los«, sagte der Fremde.
    Ian nickte und machte sich auf den Weg quer durch den Raum. Jeder Zentimeter seiner Haut schmerzte, jeder blaue Fleck, jeder Schnitt, jede Verbrennung. Er hatte alles gesetzt, alles. Die nächste Karte entschied über Leben und Tod. So langsam wie möglich schlich er durchs Wohnzimmer, er hinkte sogar ein bisschen, während seine Gedanken rasten, auf der Suche nach einem Ausweg, einer Alternative. Es gab keine Alternative. Der Fremde hielt sich in sicherer Entfernung. Es wäre völliger Schwachsinn, sich jetzt auf ihn zu stürzen.
    Scheiße, scheiße, scheiße!   Was hatte er nur getan? Bald würde der Typ kapieren, dass er ihn bloß verarscht hatte, und dann …
    Als er den Flur betrat, kam ihm eine Idee.
    Zugegeben, es war ein gewagter Plan. Nein, es war ein völlig aussichtsloser Plan.
    Wie in der Spieltheorie ging es letztendlich doch um Vertrauen: Jenn musste ihm vertrauen, um zu begreifen, was er von ihr erwartete. Und er musste darauf vertrauen, dass sie erkannte, was die Stunde geschlagen hatte.
    Dass sie längst zu weit gegangen waren, um noch einen Weg zurück zu finden.
    Weißes Rauschen. Ein zielloses, dumpfes Dröhnen. So sah es in Alex’ Kopf aus.
    Er wollte etwas tun, irgendwas, doch er war wie paralysiert. Er sah zu, wie Victor sich einen Whisky für fünfzig Dollar einschenkte, während Mitch ununterbrochen auf ihn einredete. Glaubte er wirklich, er könnte den Typen zur Vernunft bringen? Oder wollte er bloß Zeit gewinnen? Jedenfalls schien er damit auf taube Ohren zu stoßen. Johnny war inzwischen in die Mitte des Raums geschlendert, die Hand mit der Waffe noch immer lässig ausgestreckt. Offensichtlich machte er so etwas nicht zum ersten Mal, offensichtlich hatte er schon öfter einen Menschen ins Visier genommen. Und wahrscheinlich hatte er auch schon das ein oder andere Mal abgedrückt.
    Alex’ Kopf dröhnte im Rhythmus seines Pulsschlags. Der Schmerz war mit voller Wucht zurückgekehrt, aber das war noch das Wenigste. Wohin hatten ihre endlosen Diskussionen und Debatten geführt? Zu vier Flaschen, randvoll mit flüssigem Tod – und einem Mann, der ihnen eben ins Gesicht gesagt hatte, dass er sie an jeden verkaufen würde, der seinen Preis zahlen konnte. Also nicht nur an Terroristen in einem weit entfernten Wüstenstaat. Genauso gut könnte es hier in Chicago passieren, an einer Haltestelle der Straßenbahn. Im Museum, in der Kirche, im Einkaufszentrum. In einer Schule.
    Und damit konnte es auch Cassie treffen.
    »Genug philosophiert«, meinte Victor. »Würden Sie mir jetzt freundlicherweise mein Eigentum aushändigen?« Er deutete auf die schwarze Sporttasche auf dem Boden. »Rein damit.«
    Mitch fühlte sich, als würde er im nächsten Moment zerspringen, es zerrte ihn in tausend Richtungen zugleich. Er blickte dem Teufel in die Augen und konnte nichts, rein gar nichts tun.
    Das heißt, er konnte etwas tun. Auch wenn es überhaupt nichts bringen würde. »Nein.«
    »Wie bitte?«
    »Holen Sie sich das Zeug doch selbst. Ich werde Ihnen nicht

Weitere Kostenlose Bücher