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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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andere. Dann musst   du   den anderen verraten. Dann geht es nur noch darum, die eigene Haut zu retten.« Er blickte ihr fest in die Augen. »Verstanden?«
    »Jennifer, Ian?« Der Fremde sah sie an und lächelte. »Cheese!« Er richtete das Handy auf ihre Gesichter.   Klick.   Ein Foto. Er hatte ein Foto gemacht, sich eine Trophäe gesichert. Was erlaubte der sich eigentlich? Er behandelte sie, als wären sie allein zu seiner Belustigung da.
    »Warum haben Sie nicht vorher gefragt?«, sagte sie. »Vielleicht hätte ich mich in Pose geworfen.«
    Wieder lächelte er. »Ein verlockendes Angebot. Aber danke. Ich habe, was ich brauche.«
    »Und was wollen Sie von uns?«
    »Ach, Schätzchen. Die Nummer kannst du dir wirklich sparen. Es ist ein bisschen zu spät, um jetzt noch das Unschuldslamm zu spielen, findest du nicht?«
    »Ja, aber was   wollen   Sie? Warum sind Sie hier?« Zum Teil war sie einfach nur wütend, zum Teil hoffte sie tatsächlich auf eine Antwort. »Hat Ihr Boss es sich anders überlegt? Ohne mich kommen Sie nämlich nicht an das Schließfach. Allein bringt Ihnen der Schlüssel gar nichts.«
    »Natürlich nicht.« Seine Augen blitzten. »Aber das Schließfach kann uns auch ziemlich egal sein. Stimmt doch, Jennifer?«
    »O Gott«, sagte Ian. »Sie werden uns umbringen, oder? Oder?«
    Jenn sah ihn an – er ähnelte einer schmelzenden Wachspuppe: kreideweiß, verschwitzt, verheult. Anscheinend hatte es ihn wirklich hart erwischt.
    »Alex hat das Zeug«, flüsterte er. »Das wissen Sie, oder? Und sobald Sie es ihm abgenommen haben, werden Sie uns umbringen. Oder?« Ian beugte sich vor. »Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Ich muss es wissen.«
    »Warum?«
    Ians Arme zitterten. »Bitte, hören Sie mir zu. Ich arbeite an der Börse. Ich bin Geschäftsmann. Und jetzt würde ich gerne Ihnen ein Geschäft vorschlagen.«
    »Ach ja?« Dem Fremden schien das Ganze Spaß zu machen.
    »Ja. Als wir Johnny Love überfallen haben, haben wir nicht nur die Flaschen geklaut.«
    »Und weiter?«
    »Sondern auch eine Menge Geld. Deshalb haben wir’s ja getan.« Ians Augen zuckten zur Seite. »Wenn Sie mich am Leben lassen, bekommen Sie das Geld.«
    Scheiße, was sollte das jetzt wieder? Dachte er wirklich, er könnte mit dem Typen verhandeln? Oder verfolgte er irgendeinen Plan? Wollte er ihn ablenken, um … was auch immer zu tun?
    Da wurde ihr sein   exakter   Wortlaut bewusst.
    Wenn Sie mich am Leben lassen.
    Mich.
    Also wollte er sie verraten? Hatte er ihr deshalb von seinem bescheuerten Spiel erzählt? Um ihr zu erklären, was er tun würde? Um sein Gewissen zu erleichtern!?
    Sie starrte ihn an: ein teurer Anzug, gesprenkelt mit Erbrochenem, blasse, glänzende Haut, zitternde Arme. Von dem großspurigen Spieler, den sie früher gekannt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Seine Maske war gefallen, er konnte sich nicht mehr hinter Scharfsinn und Sarkasmus verstecken. Und dieser Typ war mal ihr Freund gewesen.
    Wie hatte er ihnen damals, bei ihrem gemeinsamen Brunch, das Spiel erklärt? Wenn sich beide gegenseitig verrieten, kamen beide eine Zeit lang ins Gefängnis. Wenn beide schwiegen, kamen ebenfalls beide ins Gefängnis, aber deutlich kürzer. Und wenn man seinen Freund verriet, und der andere hielt dicht, wurde man freigesprochen, während der andere ein ganzes Jahrzehnt hinter Gittern verbringen durfte. Das denkbar schlechteste Ergebnis für den einen, das denkbar beste für den anderen.
    War es das, was er ihr gerade vor Augen hatte führen wollen? Nach den Regeln des Spiels blieb ihr damit nur eine Möglichkeit: Sie musste ihn auch verraten.
    Aber wie? Wie sollte sie das anstellen?
    Und was noch wichtiger war:   Wollte   sie ihn überhaupt verraten?
    Kaum hatte sie sich die Frage gestellt, wusste sie die Antwort. Sie dachte an ihren Traum, in dem sie schwanger gewesen war – beim Aufwachen war sie direkt traurig gewesen, dass sie nur geträumt hatte. Dabei wollte sie eigentlich gar kein Kind, nein, sie wollte bloß, dass ihr Leben einen Sinn ergab. Sie wollte nicht mehr leben wie früher, als es scheinbar nichts gab, das wirklich von Bedeutung war.
    Also scheiß auf die Regeln, scheiß auf das Spiel. Sie hatte keine Ahnung, wer der Fremde war, aber offensichtlich wollte er sie umbringen, sie und einen ihrer besten Freunde. Vielleicht würden sie es irgendwie schaffen, hier heil herauszukommen und Mitch zu helfen, vielleicht auch nicht. Doch auf keinen Fall würde sie als Verräterin enden.
    »Es ist

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