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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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besuchen, und vielleicht kann sie ja im Sommer mal eine Weile zu dir kommen. Oder an Thanksgiving. Das sehen wir dann.«
    Nein , dachte Alex, und stellte überrascht fest, dass er es auch laut ausgesprochen hatte.
    »Ich weiß, das ist das Letzte, was du hören willst.« Fast dachte er, Trish hätte sein »Nein!« gehört. »Und es tut mir ja auch leid. Trotzdem …« Eine Pause. »Trotzdem habe ich schon mit dem Anwalt meines Vaters gesprochen, und er meinte, in Anbetracht der Verzögerungen bei den Unterhaltszahlungen … Na ja, er meinte, du könntest da nichts machen. Ich will keinen Rechtsstreit mit dir, wirklich, aber sollte es dazu kommen … Schließlich sind Scott und ich verheiratet und bieten Cassie ein stabiles Heim, während du deinen Pflichten nicht nachkommst … Und deshalb …« Sie verstummte. »Gott, wie ich das hasse. Ich hab tausendmal versucht, mit dir zu reden, das weißt du. Aber du hast den Kopf in den Sand gesteckt und gehofft, dass es dann schon irgendwie vorbeigeht. Wie immer eben. Deshalb arbeitest du auch immer noch in dieser beschissenen Bar.« Nach einem kurzen Zögern fuhr sie in sanfterem Tonfall fort: »Egal. Auf jeden Fall brechen wir in ein paar Wochen auf. Sie brauchen Scott sofort, und er will nicht so lange von uns getrennt sein. Natürlich kannst du Cassie bis dahin noch sehen, vielleicht auch mehrmals. Also, wenn du willst.« Eine lange Pause. »Es tut mir leid, ja? Ruf an, wenn du reden willst. Es tut mir leid.«
    Ein Knacken, während sie auflegte, gefolgt vom gedehnten Piepen des Anrufbeantworters.
    Alex starrte ins Leere. Die Finger in seinen Eingeweiden hatten sich zur Faust geballt, seine Hände zitterten. Phoenix also. Phoenix! Das konnte, das durfte sie ihm nicht antun. Sie durfte sich nicht einfach seine Tochter schnappen und den halben Kontinent zwischen sie bringen. Meinetwegen hatte er ein paar Zahlungen verpennt oder ganz vergessen. Aber er war kein Versager; er riss sich doch den Arsch auf, und sein halbes Gehalt ging immer an Cassie. Deshalb war er seit der Trennung in seinem Leben keinen einzigen Schritt vorwärtsgekommen, nur deshalb! Und dann dieser Anwalt, der Anwalt ihres Vaters, wohlgemerkt. Alex sah ihn noch vor sich – ein fader Brillenträger mit strahlend weißem Hemd, der alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um die Alimente möglichst weit in die Höhe zu treiben, und ihm dann auch noch mitzuteilen, er könne von Glück sagen, dass Trish immer noch an ihn denke, dass sie so großzügig sei, ihm ein Besuchsrecht einzuräumen, und dass …
    Mit beiden Händen packte Alex den Anrufbeantworter, zerrte an den Kabeln, bis sie mit einem befriedigenden Knallen rissen, und schleuderte ihn an die Wand. Er flog wie ein Diskus durch die Luft, unaufhaltsam und wie an der Schnur gezogen, und donnerte schließlich an die Trockenmauer, wo er eine tiefe Scharte hinterließ. Erst als er auf den Boden krachte, brach der Deckel ab. Am liebsten hätte Alex so lange auf das Scheißteil eingetreten, bis es sich in seine Einzelteile auflöste, und dann einfach weitergemacht, bis er jedes einzelne davon in den Teppich gemörsert hätte. Doch er stand nur da und öffnete und schloss die Faust, immer und immer wieder, in der Dunkelheit seines erbärmlichen Apartments.
    Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein.
    Er ließ das beschlagene Wodkaglas auf dem Tisch stehen, öffnete die Tür und trat ins Freie.
    Jenn saß auf einem Motorrad – nicht auf einer Harley, sondern auf einer dieser niedrigen japanischen Maschinen. »Arschrakete«, hatte ihr Bruder solche Teile immer genannt. Sie lehnte sich hinein und genoss die warmen, pulsierenden Vibrationen der Maschine, während sie auf einer unendlich leeren Straße dahinschoss. Vor ihr lag der indigoblaue Horizont, unter ihr verschwamm der Mittelstreifen zu einem durchgehenden Balken. Jetzt drang ein Hämmern an ihre Ohren, ein Donnern; vielleicht stotterte der Motor? Egal, sie beugte sich noch weiter vor, drückte noch stärker aufs Gas. Der Fahrtwind fegte durch ihr Haar. Doch das Hämmern kehrte zurück, so sehr sie sich auch dagegen wehrte, so fest sie sich auch an den Gashebel klammerte, es kehrte immer wieder zurück, und –
    Sie wachte in ihrem Bett auf, zusammengerollt auf der Seite liegend, mit der Decke zwischen den zusammengepressten Beinen. Ihre Augen blinzelten zum grünen Licht des Weckers hinüber: 04:11. Wieder hämmerte es, und diesmal klang das Geräusch völlig real. Die Tür. Da war jemand an der

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