Der Ausloeser
hatte Jenns Revolver in der Hand. Plötzlich hatte er keine Wahl mehr, keine Wahl außer dieser einen, unfassbaren Möglichkeit. Er hatte auf den Typen geblickt, erst auf seine Augen und dann, als er wusste, dass er es tatsächlich tun würde, auf die Brust, er hatte gestarrt, bis er keinen Menschen mehr, sondern ein Muster gesehen hatte, und dann hatte er abge…
Stopp.
Vorspulen.
… bis zu den Sirenen, die durch die Nacht gegellt hatten und immer näher gekommen waren, immer näher. Zu dem unbeschreiblichen Gefühl, das ihn erfasst hatte, das Gefühl, die Realität durch ein einziges Fingerzucken verändern zu können. Ein Gefühl der unantastbaren Macht.
Und weil er keine Ahnung hatte, was er sonst tun sollte, hatte er sich dem einfach hingegeben.
Er hatte Befehle erteilt: Ian in den Mietwagen, er und Jenn in den Eldorado des Drogendealers. Eigentlich hatte er den Wagen nur zur Seite fahren wollen, aber dann hatten sich die Sirenen immer schneller genähert, und er war durchgestartet, Richtung Norden. Der Motor hatte schon einige Jahre auf dem Buckel, aber ein Cadillac war ein Cadillac, und so wäre er am liebsten aufs Gaspedal gestiegen, um alles aus der Kiste herauszuholen. Doch er hatte sich gezwungen, das Tempolimit nicht um mehr als zehn Stundenkilometer zu überschreiten.
Gedanken und Bilder waren durch sein Bewusstsein geglitten wie Regen über eine Windschutzscheibe.
Das gute, feste Gefühl des Abzugs unter seinem Zeigefinger.
Jenns Stimme, als sie gefragt hatte: »Wohin fahren wir?«
Die schmerzhafte Explosion aus Licht und Lärm. Und die Schatten, die gleich darauf wiederkehrten, noch tiefere Schatten als zuvor.
»Zu dir«, hatte er geantwortet, »das ist nicht so weit.«
Er hatte erwartet, sie würde widersprechen, doch sie hatte nur geschwiegen. An die eigentliche Fahrt konnte er sich nur noch sehr undeutlich erinnern. Während er am Lenkrad saß, hatten zwei Dinge sein gesamtes Bewusstsein ausgefüllt …
Mann, du hast ihn erschossen, scheiße, du hast ihn erschossen !
Stopp. Vorspulen.
… und Jenn im Sitz neben ihm, ihr Geruch … nicht ihr Parfüm, nein, ihr Geruch, eine Mischung aus Schweiß und dem Duft ihres Haars, ein zarter Mädchengeruch. Einmal hatte er bemerkt, wie sie ihn von der Seite angesehen hatte, doch bevor er ihren Blick deuten konnte, waren ihre Augen schon wieder nach vorne geschnellt.
Jetzt saßen sie hier, in ihrem geschmackvoll eingerichteten Apartment, und warteten darauf, dass sich der Rauch verzog. Fragte sich nur, ob ihnen gefallen würde, was dahinter zum Vorschein kam. Mitch hustete und richtete sich auf. »Was ist mit euch? Seid ihr in Ordnung?«
Ian und Jenn blickten sich an. Blickten ihn an.
»Ich meine, ihr seid doch nicht verletzt, oder?«
»Nein.«
»Mm-mmh.«
»Gut.«
»Und was ist mit Alex?« Jenn saß im Sessel gegenüber, die Knie ein paar Zentimeter geöffnet. Fast hätte er ihr wie ein Pubertierender zwischen die Beine geglotzt.
»Der ist auch okay.« Ian stand auf und tigerte durch den Raum. »Warum sollte er nicht okay sein?«
»Du hast ihn ziemlich heftig erwischt.«
»Das war doch keine Absicht.« Er hielt inne und stieß ein verzweifeltes Lachen aus. »Mann, das war das erste Mal, dass ich wen mit einer Pistole umgehauen hab!«
»Wie bitte?« Jenn richtete sich auf. »Du hast ihn mit der Pistole umgehauen?«
»Ja, ich hatte sie in der Hand, und …«
»Und was war mit deiner anderen Hand?«
»Ich … Hör mal, ich hab mich nur an den Plan gehalten, okay? Frag Mitch, der war dabei.«
»Ja«, sagte Mitch, »ich war dabei.«
Vorübergehend kehrte wieder Stille ein, bis Jenn schließlich fragte: »Und jetzt?«
Gute Frage. Darüber sollte man wirklich mal nachdenken, und zu seiner Überraschung konnte Mitch darüber nachdenken. Nicht nur das – er fühlte sich voll auf der Höhe. »Okay, gehen wir’s der Reihe nach durch. Dieser Typ …« Kurz blitzte das fremde Gesicht vor ihm auf, doch er schob es sofort beiseite. »Das muss Johnnys Geschäftspartner gewesen sein, der Dealer.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei war ich mir so sicher, dass wir genug Zeit haben würden. Anscheinend wusste er genau, wann Johnny … Was ist?« Erst jetzt fiel ihm auf, dass Jenn ihn mit fassungslosem Blick anstarrte.
»Was tust du da?«
»Ich versuche, das alles auf die Reihe zu bekommen.«
»Auf die Reihe bekommen? Was willst du denn auf die Reihe bekommen !? Dass du … Dass wir …«
»Ja. Genau das.«
»Könnten
Weitere Kostenlose Bücher