Der Ausloeser
wir uns nicht mal den positiven Aspekten zuwenden?« Ians Augenbrauen wanderten nach oben. »Was ist mit dem Geld?«
Komisch, das Geld hatte Mitch ganz vergessen. Er beugte sich vor, zerrte die Sporttasche auf den Schoß und öffnete den Reißverschluss. In der Tasche – und dieser Anblick war noch weniger real als der Moment, in dem er die Waffe gehoben und den Abzug gedr… Stopp. Weg damit. – lagen haufenweise Geldbündel. Er griff hinein und zog eine Handvoll Scheine heraus, mehrere Päckchen Hunderter und Zwanziger.
»Wow.« Ians Stimme klang beinahe ehrfürchtig. »Wie viel?«
»Keine Ahnung.«
»Dann zähl doch, Mann, zähl!«
»Nein.«
»Okay, dann zähl ich.«
»Nein.« Er stopfte die Bündel zurück in die Tasche. »Das Geld kann warten. Zuerst müssen wir nachdenken.«
»Nachdenken? Über was denn?«
Mitch blickte auf und sah ihm fest in die Augen. »Wir müssen überlegen, wie wir aus der Sache rauskommen.«
»Rauskommen?« Aus Jenns Hals drang eine Art Quietschen. »Wie stellst du dir das vor?«
»Eins nach dem anderen.« Mitchs Hirn arbeitete mit einer reibungslosen, kristallklaren Logik, eine gigantische Maschine, die ein perfektes Produkt nach dem anderen ausstanzte. »Punkt eins. Im Restaurant. Wir haben Masken und Handschuhe getragen. Ian, hast du deine Handschuhe zwischendurch ausgezogen? Vielleicht um dir den Schweiß von den Fingern zu wischen? Nein, oder?«
»Nein.«
»Sicher?«
»Natürlich bin ich mir sicher.«
»Könnte sein, dass ich was angefasst habe«, flüsterte Jenn.
»Was genau?«
»Weiß nicht mehr. Irgendwas.«
»Und wo? In der Gasse?«
Sie nickte.
»Das ist kein Problem. Da laufen jeden Tag tausend Leute durch.« Mitch fühlte sich, als würden ihm fortwährend kleine Stromstöße durch den Körper gejagt. Er stand auf und knackte mit den Knöcheln, bevor er den Revolver aus dem Gürtel zog und auf den Tisch warf. Der Aufprall hallte durch den ganzen Raum. »Das ist die einzige Waffe, die wir abgefeuert haben, oder? Damit haben wir schon mal Glück gehabt.«
»Warum?«
»Weil das ein Revolver ist und Revolver keine Patronenhülsen hinterlassen.« Er bemerkte Jenns fragenden Blick. »Diese Schalen, die von der Patrone abfallen.« Er ging zwei Schritte, dann drehte er sich um und kam wieder zurück. Er spürte, wie sich seine Beinmuskeln spannten. Vor Ian blieb er stehen. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Einfach die Pistole zu ziehen, als wärst du Al Pacino persönlich?«
»Ich wollte …«
»Und dann hast du sie nicht mal entsichert!«
»Deshalb hab ich ihn auch nicht erschossen. Sondern du.«
»Ja. Weil du mir keine Wahl gelassen hast.« Wütend fixierte er seinen Freund, und seine Wut steigerte sich noch, als ihm einfiel, wie Ian sich im Mietwagen eine Ladung Koks reingezogen hatte. Direkt vor dem Überfall, verdammt noch mal! Ian wagte nicht, ihn anzuschauen. Er starrte zur Seite, aus dem Fenster, auf den Boden. Seine Füße zuckten. Als er endlich aufblickte, erkannte Mitch etwas in seinen Augen.
Angst.
Schon komisch. Er konnte sich nicht erinnern, jemals irgendwem Angst eingejagt zu haben. »Was soll’s«, sagte er. »Ist jetzt auch egal. Die Waffen … Woher hast du die? Was ist das für ein Typ?«
»Ein Bekannter. Hat ein exklusives Casino. Aber ich glaube, der hat auch noch andere Sachen am Laufen.«
»Was für Sachen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht lässt er anschaffen. Weiß nicht.«
»Meinst du, die Waffen können zu ihm zurückverfolgt werden?«
»Glaub nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil er sicher daran gedacht hat, dass wir auffliegen könnten. Also hat er mir bestimmt Waffen gegeben, die sich nicht zurückverfolgen lassen.«
»Okay«, sagte Mitch. Es fühlte sich gut an, die verschiedenen Aspekte herauszufiltern – als würde er einen Punkt nach dem anderen von einer langen Liste streichen. »Klingt gut. Fingerabdrücke haben wir auch keine hinterlassen, und die Kugeln können nicht mit uns in Verbindung gebracht werden. Also …«
Jenn starrte ihn an. Sie hing an seinen Lippen, in gespannter Erwartung der nächsten Worte.
»Also ist alles in Ordnung.«
»In Ordnung? Du hast den Typen umgebr…«, fing sie an.
»Wir. Wir haben ihn umgebracht.« Er schloss die Augen und massierte sich die Lider mit Zeigefinger und Daumen. »Aber das war ein Drogendealer. Ein Schwerverbrecher. Außerdem hatte er dich gesehen.« Er trat auf sie zu, ging neben dem Sessel in die Knie und nahm ihre Hände. Er dachte nicht weiter
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