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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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die drei in ihrem Wohnzimmer zu haben. Dazu die Sache mit Mitch gestern Nacht; sie war sich keinesfalls sicher, was sie davon halten sollte. Klar, es war keine bewusste Entscheidung gewesen, aber es war auch nicht nichts. Natürlich hatte ihr Adrenalinpegel eine Rolle gespielt, und die Tatsache, dass sie wusste, was er für sie getan hatte, wie weit er für sie gegangen war. Aber nicht nur das: Sie hatte eine Nähe gespürt, wie sie sie mit Alex nie gespürt hatte. Ihre Affäre mit Alex war eine freundschaftliche, alberne Angelegenheit, die sich immer strikt innerhalb der Grenzen abgespielt hatte, die sie von Anfang an abgesteckt hatten. Aber gestern Nacht … Gestern Nacht könnte der Beginn von irgendetwas ganz anderem gewesen sein. Vielleicht.
    Normalerweise hätten sie ausgeschlafen, noch einmal Sex gehabt, im Bett Kaffee geschlürft und vor sich hin gekichert. Stattdessen war sie aufgewacht, hatte sich gestreckt und fünf friedliche Sekunden genossen, während ihr Bewusstsein hochgefahren war – bevor ihr die Erinnerung an gestern, an die Gasse ins Gesicht geklatscht war. Ihre Kehle hatte sich zugeschnürt, sie hatte Galle geschmeckt. Sie hatte gerade noch rechtzeitig die Hand auf ihren Mund gepresst, um ein lautes Wimmern zurückzuhalten. Kurz darauf stand sie im Badezimmer und starrte in den Spiegel.
    So, so, du wolltest deinem Leben also einen Sinn geben? Du wolltest etwas spüren?
    Viel Spaß noch.
    Fast wäre sie in Tränen ausgebrochen, fast hätte sie sich in die Ecke verkrochen und geheult. Gleichzeitig wäre sie am liebsten vor der Kloschüssel auf die Knie gesunken, um sich zu übergeben. Sie schwitzte und schlotterte, Nadeln bohrten sich in ihre Haut. Schnell drehte sie den Wasserhahn auf, hielt ihre Handgelenke unter das kalte Wasser und zwang sich, tief einzuatmen.
    Was haben wir nur getan?
    Mein Gott.
    Was haben wir nur getan?
    Hatte sie ernsthaft erwartet, mit Mitch ins Bett zu gehen würde den gestrigen Abend ungeschehen machen? Ja, der Sex hatte sie abgelenkt und getröstet, und warum auch nicht? Trotzdem, dahinter lauerte immer noch das blanke Entsetzen.
    Dann hatte das Telefon geklingelt, und von da an musste sie wohl oder übel funktionieren. Sie schleppte sich zurück ins Schlafzimmer und versuchte, bei ihrem Telefonat mit Alex so natürlich wie nur möglich zu klingen. Als sie auflegte, bemerkte sie Mitchs Blick, einen Blick voller widersprüchlicher Gefühle, zu viele, um sie auf einen Nenner zu bringen.
    »Wie geht’s Alex?«, fragte er.
    »Ganz gut anscheinend. Er kommt gleich vorbei.«
    Ein gedehntes Schweigen. »Dann steh ich lieber mal auf.«
    »Ja.« Sie zog die Schublade auf. Keine Unterhosen mehr, sie musste dringend waschen. Was für ein absurder Gedanke. Fast hätte sie gelacht, als sie den Slip von gestern aufklaubte und hineinstieg. »Hör mal …«
    »Bitte«, fiel er ihr ins Wort, »bitte sag jetzt nicht: ›Wegen gestern Nacht …‹ Bitte nicht. Okay?«
    »Das wollte ich gar nicht sagen.« Sie kramte einen BH heraus, der halbwegs gut passte. Als sie die Halter über die Schultern streifte, wanderten seine Augen über ihre Brüste, als wollte er einen letzten Blick erhaschen. »Aber ich glaube, wir sollten es erst mal für uns behalten. Die anderen müssen nicht alles wissen.«
    »Was sollen sie nicht wissen?«
    Sie deutete auf das Bett.
    »Für mich war das nicht bloß Sex«, sagte er.
    »Für mich auch nicht. Aber … Na ja, im Moment ist alles schon kompliziert genug.«   Besonders zwischen dir und Alex. Super Timing, Jenn. Mach nur weiter so.
    »Okay. Versteh schon.« Er stieg in die Hose, machte den Gürtel zu und zwang sich zu einem Lächeln. »Kaffee?«
    Seitdem war eine gute Stunde vergangen. Jetzt saß sie auf ihrer gemütlichen Couch, in ihrer angeblichen Zuflucht, klammerte sich an die Strickdecke auf ihrem Schoß und sah zu, wie sich die Jungs gegenseitig angifteten. Sie hatte mal wieder recht behalten, und das war manchmal ein beschissenes Gefühl.
    »Du willst mich verarschen, oder?«, wiederholte Alex. »Du hast ihn   absichtlich   erschossen?«
    »Du warst nicht dabei«, meinte Ian. »Mitch hat nur getan, was er tun musste.«
    »Stimmt, ich war nicht dabei. Weil ich drinnen auf dem Boden lag und halb verblutet bin. Und warum? Warum, du Experte? Wäre ich da gewesen   … «
    »Was?« Mitch lehnte sich zurück. Seine Stimme blieb erstaunlich ruhig, er wirkte beinahe gelassen. »Was hättest du getan, Alex? Der Dealer liegt vor dir auf dem Boden, mit

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