Der Ausloeser
einer Kugel in der Schulter, und er kennt das Gesicht deiner besten Freundin. Also, was hättest du getan? Hättest du ihn freundlich gebeten, deine Freundin doch bitte in Ruhe zu lassen und nicht zu töten?«
»Ich …« Er verstummte.
»Genau.« Mitch blickte auf die Uhr wie ein Manager vor dem nächsten Termin. »Du sagst es. Also krieg dich bitte wieder ein, okay? Warum konzentrieren wir uns nicht ausnahmsweise auf die aktuelle Situation?«
Ja, Jenn war beeindruckt, sie konnte es nicht leugnen. Das Mauerblümchen von früher hatte sich in einen umwerfend selbstsicheren Typen verwandelt.
Auch Alex wirkte ziemlich verblüfft. »Na gut. Wie ist es weitergegangen?«
»Ian hat den Mietwagen genommen, Jenn und ich den Eldorado vom Dealer, ein riesiges lila Teil –«
»Und wo sind die Wagen jetzt?«
»Ein paar Straßen weiter geparkt, natürlich nicht nebeneinander. Den Innenraum vom Eldorado hab ich gründlich abgewischt. Danach sind wir hierher und haben dich angerufen, und dann konnten wir nur noch warten. Okay, jetzt bist du dran. Was haben die Cops gesagt?«
»Eigentlich haben sie vor allem Fragen gestellt.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Dass zwei Typen in Masken reingekommen sind und rumgeschrien haben. Dass ich auf einen von ihnen los bin, und dass er mir die Knarre aufs Auge gedonnert hat. Und dass ich zwei Schüsse gehört habe.«
»Wollten sie wissen, was du im Büro gemacht hast?«
»Ja. Ich hab ihnen gesagt, Johnny hätte mich gerufen, aber ich wüsste nicht, warum.«
»Und das haben sie dir abgenommen?«
»Warum denn nicht?«
Mitch nickte. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und wippte mit dem Fuß. »Gut. Also ist immer noch alles im grünen Bereich. Es gibt keinen Grund, die Sache mit uns in Verbindung zu bringen. Wahrscheinlich werden sich die Cops gar nicht mehr bei dir rühren.«
Jenn konnte es nicht fassen. Das war doch viel zu einfach. Im Moment fiel ihr zwar auch nichts ein, was dagegen sprechen würde, aber trotzdem … Vielleicht lag es an den vielen Nachmittagen in der Sonntagsschule, an den Sonnenstrahlen, die durch die hohen Fenster gefallen waren und jedes einzelne Staubkörnchen beleuchtet hatten, an den zahllosen Malbüchern mit Jesus und den Jüngern. An Pater Mikes Geschichten über Gott, einen Gott, dem nichts entging, der alles sah, jede winzige Gemeinheit gegenüber ihren kleinen Geschwistern, jede geklaute Süßigkeit.
»Ich will ja nicht vom Thema ablenken«, sagte Ian. »Aber wie viel war’s eigentlich?«
»Mehr als gedacht«, erwiderte Mitch. »Exakt zweihundertfünfzigtausend.«
Die Zahl senkte sich auf den Raum wie ein plötzlicher Wetterumschwung, wie ein sanfter Schneefall, der jedes Geräusch dämpfte. Ian grinste bis über beide Ohren, während Alex ein leises Pfeifen ausstieß. »Das sind … Moment …«
»Genau zweiundsechzigtausendfünfhundert für jeden von uns«, meinte Ian. »Und das für einen einzigen Abend. Nicht schlecht.« Er griff sich eine der Tüten und öffnete sie, steckte die Nase rein und atmete schnaufend ein. »Mann, riecht das geil.«
»Schön, dass es dir gefällt. Du wirst noch eine ganze Weile dran schnuppern können«, sagte Mitch. »Wir können es nämlich nicht ausgeben.«
»Wie meinst du das?«
»Wie ich es sage. Wir können es nicht ausgeben. Noch nicht.«
»Warum?«
Mitch seufzte. »Wie wär’s, wenn du auch mal dein Hirn einschaltest? Der Grundgedanke dabei war doch, dass wir gar nicht erst in Verdacht geraten würden, und dass Johnny nie im Leben zur Polizei gehen würde, weil er sich damit nur Ärger einhandeln würde. Aber jetzt liegt da ’ne Leiche.«
»Und?«, fragte Ian mit großen Augen. »Was tut das zur Sache?«
»Mein Gott, damit ist eben alles tausendmal komplizierter. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass wir in irgendeiner Form mit dem Überfall in Verbindung gebracht werden können. Wir müssen die Klamotten wegschmeißen, genauso die Masken und natürlich die Waffen. Wir müssen den Mietwagen zurückgeben und den Cadillac loswerden, und dann einfach weiterleben, als wäre nichts gewesen. Und das heißt konkret: Als wären wir nicht plötzlich steinreich. Also müssen wir das Geld irgendwo zu Hause lagern und fürs Erste vergessen.«
Darüber hatten sie heute Morgen gesprochen, beim Aufteilen der Bündel. Mitch wollte das ganze Geld in einem Bankschließfach deponieren, das erschien ihm am sichersten. Nein, hatte sie eingewendet, die anderen würden sicherlich nicht zulassen, dass
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