Der Ausloeser
auf seinem Gebiet so erfolgreich machten, war sein exzellentes Gespür für Angst. Und deshalb wusste er: Hinter seiner großen Klappe machte sich Mr. Loverin gerade in die Hose.
Sehr gut.
Zehnter Stock, und natürlich noch kein Aufzug. Victor blieb stehen und wartete, bis sich seine Atmung beruhigt hatte. Dann schloss er den obersten Knopf seines Sakkos, rückte die Manschetten zurecht und trat durch den Türrahmen.
Eines Tages würde man hier durch die endlosen Zimmerfluchten eines weiteren grauen, anonymen Büroturms schreiten, aber noch war das Stockwerk leer, ein einziger verwaister Raum, der die Länge eines halben Straßenblocks einnahm. Und dabei würde es auch bleiben, bis der Bauherr dem Stadtrat die nötigen Genehmigungen abgerungen hatte. Drähte und Kabel hingen von nackten Stahlträgern, der Wind zischte durch Lücken in den Mauern. Im Osten zeichnete die Sonne die ersten blutroten Striche in den Himmel.
Ganz hinten, etwa drei Meter vor dem Abgrund, saß Johnny Love auf einem Stuhl, die Hände auf dem Rücken gefesselt, mit einer schwarzen Kapuze über dem Kopf. Ein netter Einfall, die Kapuze. Wieder musste Victor lächeln.
Er war sich der Theatralik der Situation bewusst und machte sich gemächlich auf den Weg. Bei jedem Schritt knallten seine Lederschuhe auf dem kahlen Beton. Nur keine Eile. Die beiden Typen rechts und links von Johnny, beides Ex-Soldaten, strafften die Schultern und nickten ihm zu. Bei aller Liebe zur Flagge – manchmal sorgte erst ein Batzen Geld für wahre Effizienz. Besonders, wenn einen die Army einmal zu oft in irgendeinem Kriegsgebiet geparkt hatte.
»Wer ist da? Was ist das hier für eine Scheiße?«
Victor blieb unmittelbar vor Johnny stehen und schwieg. Sollte er doch mit dem Schlimmsten rechnen. Erst als er nach ein paar Sekunden nickte, riss einer seiner Soldaten die Kapuze herunter.
»Was zur …« Johnny erstarrte, mit halb geöffnetem Mund und weit aufgerissenen Augen. »Du.«
»Sieht so aus.«
»Ich wollte dich anrufen.«
»Ach ja? Wann denn?«
»Als mich diese Vollidioten entführt haben!«
»Aber Johnny. Der Überfall war doch schon gestern Abend.«
Johnnys Augen zuckten von rechts nach links. »Woher weißt du … ja, okay, ich wurde überfallen. Aber ich kümmer mich drum. Ich hör mich um, ich hab meine Leute auf der Straße.«
»So, so, du hörst dich um.« Er wiegte den Kopf. »Hast deine Leute.«
»Mann, was ist das eigentlich für eine beschissene Aktion? Wir sind doch Partner!«
Johnnys verzweifelter Versuch, in seine alte Rolle zurückzufinden. Wie rührend. »Aufstehen.«
»Was?«
»Steh auf, Johnny.«
Vorsichtig richtete Johnny sich auf. Offenbar befürchtete er, gleich wieder niedergeprügelt zu werden.
Auf einen knappen Wink räumte einer von Victors Männern den Stuhl zur Seite. »Okay, Johnny. Ich erkläre dir jetzt die Regeln.«
»Was für Regeln?«
»Keine Sorge, sie sind nicht allzu kompliziert. Also, ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen. Immer, wenn mir deine Antwort nicht gefällt, werde ich einen Schritt vortreten. Und du …« Er deutete auf den Boden. »… wirst einen Schritt zurückweichen.«
»Was … Was …« Johnny wirbelte herum. In seinem Rücken war nichts als Luft und Leere, und nicht weit hinter seinen Füßen tat sich ein Abgrund auf, der dreißig Meter in die Tiefe führte. Als er die Entfernung zum Boden abschätzte, verlor sein Gesicht merklich an Farbe. »Hey, jetzt warte doch mal, ich …«
»Wo ist meine Ware?«
»Ich … Ich weiß es nicht, wirklich nicht.«
Victor trat einen Schritt vor.
Johnny starrte ihn an. »Glaubst du etwa, ich würde … Mann, bist du wahnsinnig!?«
Victor seufzte und warf einem seiner Männer einen Blick zu. Der Soldat setzte sich in Bewegung.
Sofort wich Johnny einen Schritt zurück. »Schon gut. Schon gut.«
»In Ordnung. Also. Weißt du, was ich mich frage? Wann wurdest du das letzte Mal überfallen?«
»Ich … Ich wurde noch nie … Noch nie, ehrlich!«
»Bis gestern Abend.«
»Ja. Sie hatten Masken über dem Gesicht und Waffen, und … «
»Aber findest du das nicht auch ein bisschen merkwürdig? Da wollen wir ein Mal ein ernsthaftes Geschäft abwickeln, und ausgerechnet an diesem Abend wirst du überfallen. Zum allerersten Mal.«
»Ich hab nichts damit zu tun. Das würde ich niemals tun, das weißt du doch!«
Ohne den Blick von ihm zu nehmen, trat Victor einen Schritt vor. Johnny zögerte, gehorchte aber schließlich doch. Ein Windstoß fuhr
Weitere Kostenlose Bücher