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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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regen Sie sich denn so auf?« Er lächelte süffisant. »Daraus können Sie mir jetzt keinen Strick drehen – ich hab nämlich in einer Erziehungsanstalt lesen gelernt, als ich sechzehn war. Da war ich zwölf Monate wegen Einbruch drin – und hab so einiges dazugelernt.«
    Jonathan richtete sich auf und zog seine Zigaretten heraus. »Ich rege mich auf, weil ich Ihnen nicht glaube, Mr. Trent.« Er knipste sein Feuerzeug an. »Sehr praktisch, diese Geschichte von Howards Ausraster mit dem Fleischermesser einen Monat vor Grace Jefferies’ Ermordung. Eine beachtliche Leistung, wenn Sie sich das in den letzten Minuten ausgedacht haben, ich glaube allerdings eher, dass Sie und Ihre Freunde sie damals schon erfunden haben.«
    »Und warum hätten wir das tun sollen?«
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    »Für den Fall, dass Sie von der Polizei befragt werden sollten.«
    Roy schüttelte wegwerfend den Kopf. »Das stand nie zur Debatte. Wir haben nicht mal zum Kreis der Verdächtigen gehört. Nennen Sie mich ruhig einen Lügner – das lässt mich kalt –, aber Sie sind da total auf dem Holzweg. Unser Revier waren der Colliton Way und die runtergekommenen alten Gebäude auf dem Industriegelände dahinter. Wir haben Grace nicht gekannt, wir waren nie in der Nähe ihres Hauses und wollten da auch gar nicht sein – aus dem einfachen Grund, weil wir jedes Mal Scherereien gekriegt haben, wenn wir uns au-
    ßerhalb von unserem Revier rumgetrieben haben.
    Wenn wir schön innerhalb unserer Grenzen geblieben sind, hat man uns in Ruhe gelassen. Und so hat’s uns auch gepasst.«
    Jonathan sah ihm in die Augen, bis er den Blick senkte. »Sie gehörten nur aus einem Grund nicht zum Kreis der Verdächtigen – weil Howard gestand.
    Hätte er das nicht getan, hätten Sie ganz oben auf der Liste rangiert. Die Polizei hatte Sie alle drei erst fünf Tage vorher wegen der Vergewaltigung an einem verschwundenen kleinen Mädchen vernommen, das nur zwei Straßen von Grace entfernt wohnte. Auf Sie passte die Beschreibung, die die beste Freundin des verschwundenen Mädchens gegeben hatte. Und diese Louise Burton wohnte genau gegenüber von Grace Jefferies. Sie waren mit 437

    Howard Stamp gut bekannt, Sie wussten, dass er eine Großmutter hatte, dass er sich häufig zur ihr flüchtete, dass er immer im Laden Ihres Vaters für sie einkaufte. Einer von Ihnen, Micky Hopkinson, trug gewohnheitsmäßig ein Messer bei sich. Der andere, Colley Hurst, hatte rotes Haar, genau wie Louise Burton, die regelmäßig die Schule schwänzte und zweifelsfrei mit Ihnen zu tun hatte.«
    »Wieso konnte sie uns dann nicht identifizieren?«, schnauzte Roy.
    »Wieso hat sie Sie nicht identifiziert, sollte die Frage lauten, Mr. Trent. Sagen Sie mir das.«
    »Weil wir’s nicht waren.«
    George, die sich eifrig Notizen gemacht hatte, blickte auf. »Das lässt sich leicht nachprüfen, Roy.
    Louise Burtons Bruder William war Zeuge der Vergewaltigung, und wenn Sie nichts dagegen haben, zeige ich ihm ein Foto von Ihnen. Dann werden wir sehen, was er sagt. Haben Sie noch Fotos von sich aus dieser Zeit? Noch besser wäre natürlich ein Gruppenbild von Ihnen mit Colley und Micky.«
    Diesmal zögerte Roy Trent lange. »Nein«, sagte er schließlich, »Das ist ein Teil meines Lebens, den ich lieber vergessen möchte.« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und drehte den Kopf, um auf den Bildschirm zu schauen. »Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie schwer es ist, nach einer Kindheit, wie ich sie gehabt habe, etwas 438

    aus sich zu machen? Man muss sich von allen Menschen trennen, die man gekannt hat, und ganz neu anfangen. Ich habe keine Ahnung, wo Colley und Mick sich heute aufhalten – was aus ihnen geworden ist, ob sie noch am Leben sind.« Er lachte mit grimmiger Belustigung. »Ich glaube nicht, dass es überhaupt Fotos gibt – man hätte jemanden mit einem Apparat kennen müssen, um sich fotogra-fieren zu lassen, und das haben wir damals nicht.
    Das war was für die reichen Affen.«
    Jonathan wäre vielleicht bereit gewesen, diese Ausrede zu akzeptieren – auch aus seiner Kindheit gab es kaum Fotografien –, aber George lachte nur.
    »Also bitte! Mir kommen gleich die Tränen. Ich habe mir in den Sechzigern eine kleine Brownie gekauft, die ungefähr drei Pfund vier Pence gekostet hat – also unter zwanzig Pence in heutigem Geld. Und da wollen Sie behaupten, das wäre was für die ›reichen Affen‹ gewesen. Es gibt bestimmt Schnappschüsse von Ihnen. Aus der Zeit, als Sie

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