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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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achtzehn, neunzehn waren oder Anfang zwanzig –das würde völlig reichen. Bis dahin werden Sie sich nicht wesentlich verändert haben. Wie steht’s zum Beispiel mit einem Hochzeitsbild?«
    »Die hat alle meine Exfrau mitgenommen.«
    »Priscilla Fletcher?«
    »Die Erste – die Mutter von meinem Sohn.«
    George musterte ihn einen Augenblick. »Wie oft waren Sie denn verheiratet?«
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    »Zweimal«, antwortete er schroff. »Nicht dass Sie das was anginge.«
    »Und wie hieß Ihre erste Frau?«
    Er antwortete nicht.
    »Geht mich nichts an?«, fragte sie und lächelte.
    »Na ja, da haben Sie wahrscheinlich Recht.« Sie nahm eine Digitalkamera aus ihrem Köfferchen und schob ihren Stuhl zurück, um aufzustehen.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich jetzt ein Foto von Ihnen. Mein Computer hat eine besondere Funktion, mit der sich die Alterungsspu-ren in einem fotografierten Gesicht löschen lassen, da müsste ich eigentlich ein Bild von Ihnen hinkriegen, wie Sie in den Siebzigern ausgesehen haben.«
    Roy Trent kehrte ihr prompt den Rücken. »Unterstehen Sie sich«, warnte er. »Sie wollen doch Ihre Kamera heil wieder mitnehmen.«
    »Es wäre nur von Vorteil für Sie«, erklärte sie freundlich. »Wenn Sie mit der Vergewaltigung nichts zu tun hatten, wird William Burton Sie entlasten.« Sie stellte die Kamera vor sich auf den Tisch und kramte in ihrem Koffer. »Ich möchte Ihnen ein Foto von Cill Trevelyan zeigen, das kurz vor ihrem Verschwinden gemacht wurde … vielleicht hilft das Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge.
    Sie hat eine auffallende Ähnlichkeit mit Ihrer zweiten Frau.« George schob das Foto über den Tisch und wartete, um zu sehen, ob er anbeißen würde.
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    »Ich habe auch eines von Priscilla, das bei einem Grillfest hier von Jim Longhurst gemacht wurde.«
    Sie legte die zweite Aufnahme neben die erste.
    »Der Angestellte am Bahnhof identifizierte sie als die dunkelhaarige Frau, die am Bahnhof Branksome Dr. Hughes’ Aktentasche durchwühlt hat.«
    Roy Trent zündete sich eine weitere Zigarette an, aber auf die Bilder warf er keinen Blick. »Worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie beweisen, dass ich Cill Trevelyan geheiratet habe?«
    »Und? Haben Sie?«
    Er lachte zornig. »Natürlich nicht. Die Kleine ist verschwunden. Wenn die Polizei ihre Arbeit ordentlich gemacht hätte, wäre der Vater auf der Anklagebank gelandet.«
    »Er hatte ein Alibi«, warf Jonathan ein. »Er war die ganze Nacht bei der Arbeit.«
    Roy Trent drehte sich halb herum. »Es gab nur die Aussage seiner Frau. Und die schwor, dass er’s nicht getan hat, bevor er zur Arbeit gegangen ist.
    Die Polizei hat Mrs. Trevelyan so wenig geglaubt wie alle anderen. Die hat ihren Mann doch ganz offensichtlich gedeckt.«
    Jonathan beobachtete einen Moment George, die nach wie vor fleißig mitschrieb. »Warum hätte sie das tun sollen?«, fragte er.
    »Weil sie genauso schuldig war. Sie hätte sich besser um ihre Tochter kümmern müssen.«
    »Inwiefern?«
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    »Sie hätte sie beschützen müssen. Dazu sind Mütter schließlich da.«
    Diese Bemerkung, fand Jonathan, der sich seiner eigenen Kindheit erinnerte, warf eine Reihe Fragen auf. In welchem Maß war eine Mutter, soweit sie nicht selbst an dem Vergehen beteiligt war, mitverantwortlich, wenn ihr Kind Opfer von Missbrauch wurde? Was, wenn sie selbst ebenfalls misshandelt wurde? Wo hörte die Verantwortung für andere auf, setzte der Selbsterhaltungstrieb ein? Wie weit ging die Pflicht jedes Einzelnen im Leben, wenn man selbst vor Angst wie gelähmt war? In welchem Maß projizierte Roy das Verhalten seiner Mutter, die ihn vernachlässigt hatte, auf Mrs. Trevelyan? In welchem Maß versuchte er lediglich, von seiner Verwicklung in die ganze Sache abzulenken?
    »Wovor hätte sie sie Ihrer Meinung nach beschützen müssen?«, fragte Jonathan unumwunden. »Vor der Vergewaltigung?«
    »Vor den Prügeln, die sie ständig von ihrem Vater bezogen hat – auf die Weise hat er sie wahrscheinlich umgebracht.«
    »Hat Cill Ihnen von den Prügeln erzählt?«
    Roy warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Blödsinn! Ich hab sie doch gar nicht gekannt.
    Aber es hat in sämtlichen Zeitungen gestanden.
    Ich hab’s aus zweiter Hand erfahren, wie alles andere, bis ein halbwegs menschlicher Typ in 442

    der Erziehungsanstalt fand, ich müsste dringend Schreiben und Lesen lernen.«
    George schaltete sich ein. »Wenn David Trevelyan sie getötet hat, wie und wann hat er seine tote Tochter dann verschwinden

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