Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
weil seine Eltern sich im Flüsterton unterhielten, aber dann vernahm er den leichteren Schritt seiner Mutter.
    »Hallo, mein Junge«, sagte sie auf ihre gewohnt ausdruckslose Art. »Dad hat mir erzählt, dass du 446

    Louise wieder einmal aufgetan hast. Wie geht es ihr?«
    »Hat Dad dir das nicht erzählt? Ich habe ihm eine E-Mail geschickt.«
    »Er hat nur gesagt, dass sie es genauso treibt wie früher.« Seine Mutter seufzte mit echtem Bedauern, wie ihm schien. »Wir können sie nicht ändern, Billy.
    Ich bete jeden Tag darum, dass sie uns wiedergegeben wird, aber Jesus kann nur bei Menschen Wunder vollbringen, die an ihn glauben.«
    Billy hatte kein Interesse an metaphysischen Lösungen. »Es gibt hier eine Frau, die sich mit der Ermordung von Grace Jefferies beschäftigt«, sagte er. »Sie behauptet, Howard Stamp sei nicht der Täter gewesen, und ich erinnere mich, dass du den Polizisten angelogen hast, als er wissen wollte, ob du mit Mrs. Jefferies bekannt warst. Du hast damals gesagt, du wüsstest nicht, wo sie wohnte, und du hättest auch nie mit ihr geredet – aber das war beides gelogen. Warum hast du gelogen, Mam?«
    Er erwartete, dass sie leugnen oder sagen würde, sie könne sich nicht erinnern. Stattdessen überraschte sie ihn mit Ehrlichkeit. »Aus Angst um unsere Familie«, antwortete sie. »Wir waren schon in einen Skandal verwickelt, ich wollte nicht, dass wir noch in einen zweiten reingezogen werden. Du warst damals noch so jung, du weißt nicht mehr, wie furchtbar es war – alle hatten Angst –, wir 447

    glaubten, es würde noch mal was passieren, bis dann Howard Stamp festgenommen wurde.«
    Billy ließ sich von der Lüge nicht blenden. »Du hast schon Angst gehabt, bevor die Polizei kam«, sagte er. »Ich habe dich beobachtet. Deine Hände haben gezittert.«
    Eileen zögerte, als überlegte sie, was es bringen würde, die Wahrheit zu sagen. »Ich dachte, es hätte mit Cill zu tun«, erklärte sie schließlich. »Ich dachte, sie hätten ihre Leiche gefunden, und dieser ganze Albtraum würde nie mehr aufhören.«
    Sie gab ein Geräusch von sich, das wie ein Lachen klang. »Ich war so erleichtert, als der Polizist sagte, dass Mrs. Jefferies tot sei. Ich konnte immer nur denken, Gott sei Dank, da kann wenigstens niemand behaupten, wir hätten was damit zu tun.
    Ich habe nur ein bisschen geschwindelt, Billy, und ich war nicht die Einzige, die das getan hat«, fuhr sie fort. »Kein Mensch wollte zugeben, dass er sie gekannt hatte. Es war schon schlimm genug, dass es passiert war, wir wollten nicht auch noch von der Polizei befragt werden. Wir haben alle nur gewünscht, es würde ein schnelles Ende haben, und es war dann ja auch bald vorbei, als der Enkel gestanden hat.«
    Billy starrte wieder an die Wand. »Wieso hast du gedacht, Cills Leiche wäre in der Mullin Street?«
    Neuerliches Zögern. »Da hast du mich falsch verstanden. Ich meinte nur, dass ich Angst hatte, 448

    sie hätten ihre Leiche gefunden – irgendwo , nicht an einem bestimmten Ort. Ich hatte tagelang keinen anderen Gedanken im Kopf – immer nur die Frage, wo sie die Leiche von dem armen Kind finden würden. Und als es da plötzlich in der ganzen Straße von Polizisten wimmelte …« Ihre Stimme versickerte in Schweigen.
    Billy hätte ihr gern geglaubt. Es war ja damals auch sein erster Gedanke gewesen – dass die Polizei wegen Cill Trevelyan in die Mullin Street gekommen war. »Cill und Lou sind immer zu Mrs. Jefferies zum Fernsehen gegangen. Du hast es gewusst, ich habe selbst gehört, wie Mrs. Jefferies es dir gesagt hat.«
    Eileen antwortete nicht.
    »Hast du mal dran gedacht, dass Cill sich bei Mrs. Jefferies versteckt haben könnte, als sie damals durchgebrannt ist? Du hättest der Polizei die Wahrheit sagen müssen, Mam. Und Lou auch.«
    Ein wütender Unterton schwang in der Stimme seiner Mutter, als sie antwortete. »Und was glaubst du wohl, wie die Trevelyans reagiert hätten, wenn ich angedeutet hätte, Cill könnte in einen Mord verwickelt sein? Jean hat mich auch so schon jedes Mal, wenn sie mich gesehen hat, angekeift wie ein Fischweib.« Sie holte Luft. »Du hast leicht reden, Billy, aber ich hatte gerade mal zwei Sekunden Zeit, mich zu entscheiden, und ich bin immer noch überzeugt, dass ich das Richtige getan habe.«
    449

    Verwirrt rieb Billy sich den Kopf. »Ich sage ja gar nicht, dass sie was mit dem Mord zu tun hatte«, protestierte er. »Ich sage nur, dass sie sich vielleicht dort im Haus versteckt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher