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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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lassen?«, fragte sie sachlich. »Miss Brett zufolge hat er sie gleich nach seiner Heimkehr am Samstagmorgen vermisst gemeldet. Das würde heißen, dass er sie in der Zeit zwischen ihrer Heimkehr am Freitagnachmittag und seinem Aufbruch zur Nachtschicht hätte töten und begraben müssen. Das Grab hätte tief genug sein müssen – und weit genug weg von zu Hause –, damit die Leiche nicht entdeckt wird oder zumindest der Eindruck entsteht, das Kind sei von einem Entführer getötet worden.«
    Die beiden Männer sagten nichts.
    »Einzig Jean Trevelyan hätte die ganze Nacht Zeit gehabt«, fuhr George langsam fort, »und sie hätte schon eine zweite Myra Hindley sein müssen, um erst ihre Tochter zu töten und verschwinden zu lassen, und dann die von Schmerz und Gewissensbissen geplagte Mutter zu spielen.«
    »So was soll vorkommen«, sagte Roy.
    »Aber die Psychologie stimmt nicht«, wandte George ein. »Ich hätte das schon vorher durchden-ken müssen. Da, schauen Sie …«
    Sie tippte mit dem Bleistift auf die Zeitungsausschnitte. »Zuerst sagte Mrs. Trevelyan bei der Polizei, dass es zu Hause Schwierigkeiten gegeben 443

    und ihr Mann eine Auseinandersetzung mit Cill gehabt habe. Dann drückte sie in einem Presse-interview ihre Angst aus und ihr Bedauern darüber, dass sie beide so streng mit ihrer Tochter gewesen waren.« Sie sah Jonathan kopfschüttelnd an. »Aber sie hätte das Gegenteil gesagt, wenn sie gewusst hätte, dass das Kind bereits tot war. Sie hätte betont, was für eine gute Beziehung sie und ihr Mann immer zu ihrer Tochter gehabt hatten.«
    »Vielleicht war das Taktik. Das Mädchen hatte doch immer Probleme mit ihrem Vater. Jeder hat das gewusst«, erklärte Roy Trent. »Wenn ihre Mutter was anderes behauptet hätte, wäre das noch verdächtiger gewesen.«
    »Man müsste schon ein echter Psychopath sein, um sich das zu überlegen, nachdem man eine ganze Nacht lang nicht geschlafen hat, weil man ein Grab für die eigene Tochter ausheben musste«, meinte George sarkastisch. »Ganz zu schweigen davon, dass man das Haus von oben bis unten säubern musste, um auch den kleinsten Hinweis auf einen Mord zu entfernen.«
    »Ich weiß nur das, was die Leute damals geredet haben«, behauptete Roy Trent hartnäckig. » Er hätte die Kleine umgebracht, und sie hätte ihn gedeckt. Am Ende hat sie das dazu gezwungen, sich eine andere Bleibe zu suchen.«
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    9 Galway Road, Boscombe, Bournemouth
    Mittwoch, 23. April 2003, 20 Uhr
    Robert Burton meldete sich gleich nach dem ersten Läuten, und Billy stellte sich vor, wie er im engen kleinen Flur des Bungalows gestanden und auf den Anruf gewartet hatte, um zum Apparat stürzen zu können, ehe seine Frau etwas mitbekommen konnte. Billy hatte stets eine ungezwungene, wenn auch distanzierte Beziehung zu seinem Vater gehabt, aber Argwohn zerstört Vertrauen, und er hielt sich jetzt nicht mit Höflichkeiten auf. »Ich möchte mit Mam sprechen«, sagte er kurz.
    »Sie ist nicht da.«
    »Du hast gesagt, sie wäre um sieben zurück.«
    »Sie macht einen ihrer Gemeindebesuche. Es dauert offensichtlich länger als gedacht.« Es wurde abrupt still, als er die Hand auf die Sprechmuschel legte, aber vorher hörte Billy noch im Hintergrund die Stimme seiner Mutter. »Entschuldige, Junge«, sagte Robert Burton, »die Katze war am Kabel. Ich sag Mam einfach, sie soll dich anrufen, wenn sie kommt.«
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    »Nein danke«, widersprach Billy schroff. »Gib sie mir lieber gleich. Ich weiß, dass sie da ist. Ich hab sie gehört.«
    »Aber sie will nicht mit dir sprechen.«
    »Dann sag ihr, dass ich morgen zurückkomme.«
    Eine kurze Pause. »Wieso bist du nicht bei der Arbeit?«, fragte sein Vater. »Du weißt, was ich von diesen Vierundzwanzig-Stunden-Streiks halte. Du lässt dein Vaterland im Stich, du erwartest, dass die Soldaten deine Arbeit übernehmen, während die im Irak einen Krieg führen. Das ist unpatriotisch, Billy.«
    Billy starrte wütend an die Wand. Das war typisch für seinen Vater, es mit Ablenkungsmanövern zu versuchen, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte. »Ach, hör doch auf, Dad, ich bin wirklich nicht in der Stimmung dazu. Ich wechsle gerade die Schicht – ab Freitag arbeite ich wieder tags.
    Gib mir jetzt bitte mal Mam. Ich muss wirklich mit ihr sprechen.«
    »Ich werd’s versuchen, aber ich glaube nicht, dass sie kommt.«
    Der Hörer wurde abgelegt, und Billy hörte seinen Vater ins Wohnzimmer gehen. Er konnte nicht ausmachen, was gesprochen wurde,

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